Freitag, 13. März 2009 / 09:43:00
Amoklauf: Es kann immer wieder passieren
Essen - Ob Littleton, Erfurt, Emsdetten oder jetzt Winnenden: Ein solches Ausmass an Gewalt sorgt für Entsetzen. Der Schrecken sitzt tief. Wer den Schilderungen der Angehörigen oder der Seelsorger zuhört, kann den Schock, den Schauder halbwegs nachempfinden.
In diesen Momenten, in denen häufig von Schicksal und Zufälligkeiten die Rede ist, spürt jeder: Vielleicht habe ich einfach nur Glück gehabt.
Diese Gefühle werfen Fragen auf, viele Fragen. Jeder Leser,
Zuschauer oder Zuhörer will verstehen, er will es zumindest
versuchen.
Zum Massenmörder mutiert
Weil es so unglaublich klingt, dass ein 17-Jähriger zum
Massenmörder mutiert. Und weil schlüssige Antworten auch eine Art
Schutz bieten: Wer versteht, so hofft man im Innersten, kann
vorsorgen.
Wer jedoch die Geschichte des Amoklaufs und die Lebensläufe der
Täter genauer studiert, der kommt unweigerlich zu dem Schluss: Jeder
Fall ist individuell, es gibt kein Muster und keinen Leitfaden, den
es nur auszuwerten gilt, um eine Wiederholung auszuschliessen.
Der Versuch einer Typisierung der jüngsten Amokläufer bleibt
daher notgedrungen an der Oberfläche. Meist handelt es sich um eher
unauffällige Einzelgänger, die selten Gefühle preisgeben, die zu
Selbstüberschätzung neigen, die mal mehr und mal weniger Misserfolge
hinter sich haben und die am Ende eines langen Krisenwegs ihre
unbeherrschbare Wut mit Waffengewalt entladen.
Nachbarn, Freund oder Bekannte?
Aber kennt nicht jeder
von uns einen Nachbarn, Freund oder Bekannten, der diesem «Raster»
zumindest in Teilen entspricht, der aber gleichwohl nie zu einer
Schusswaffe greifen würde?
Zehntausende Jugendliche hocken jeden Tag vor dem PC und schiessen
sich mit Killerspielen einen virtuellen Weg frei. Das ist traurig
genug. Und dass diese Art von Freizeitbeschäftigung eine enthemmende
Wirkung hat, ist ebenfalls unstrittig. Aber natürlich wird nicht
jeder Spieler zum Mörder, auch wenn er gleichzeitig als seelisch
labil gilt, ein Einzelgänger ist und keinen Schulabschluss hat.
Vor jeder Bluttat gibt es Warn- und Alarmsignale. Nur sind es
eben nicht immer dieselben. Und vor allem bedarf es jemanden, der
diese Signale erkennt und ernst nimmt. Der den Betroffenen anspricht
und Fragen stellt.
Es gibt viele gute Strategie-Ansätze, um
potenzielle Amokläufer rechtzeitig zu identifizieren und zu stoppen -
schulinterne Krisenteams etwa. Aber die bittere Wahrheit lautet: Es
kann immer wieder passieren.
Norbert Robers, Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Quelle: ots)
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