Donnerstag, 15. Mai 2008 / 16:27:06
Hillary hält durch
Es gibt einen alten japanischen Mann mit einem gütigen Gesicht, der ein guter Vergleichspunkt für die aktuelle politische Lage in den USA ist. Hiroo Onoda war Leutnant im zweiten Weltkrieg und hat erst 1974 kapituliert.
Das heisst, er hat seinen Privatkrieg im phillipinischen Dschungel ganz allein dreissig Jahre lang weitergekämpft. Während dieser Zeit wusste der Rest der Welt aber längst: der Krieg ist vorbei.
Angeblich lebt Onoda noch. Das bedeutet, dass es mindestens eine Person gibt, die versteht, wie sich Hillary Clinton gerade fühlt.
Sie kämpft weiter und gewinnt
Clinton kämpft weiterhin, und sie gewinnt sogar. Diese Woche hat sie in der demokratischen Vorwahl in West Virginia einen erdrutschartigen Sieg davon getragen. Dieser Sieg, so sagte sie, habe ihre Entschlossenheit, weiterhin um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zu kämpfen, nur noch bestärkt.
Dabei hat sie wahrscheinlich längst verloren
Aber sogar nach West Virginia liegt sie in allen Listen hinter Obama – sie hat weniger Delegierte für sich gewinnen können, in weniger Staaten, mit weniger Stimmen und ihre Wahlkampfschulden belaufen sich angeblich auf 20 Millionen Dollar.
Sie kann noch weitermachen bis zum Ende der Vorwahlen in zweieinhalb Wochen. Das Ganze dann zu beenden erscheint am wahrscheinlichsten. Sie kann aber natürlich bis zur offiziellen Nominierung im August warten. In der Zwischenzeit kann sie versuchen, doch noch zu gewinnen, indem sie die Regeln anfechtet oder noch einige Delegierte auf ihre Seite zieht. Jedoch sagt jeder unabhängige Politikexperte in den USA, dass sie keine realistischen Chancen auf einen Sieg mehr hat.
Durchstehen
Warum hört sie nicht jetzt schon auf? Dafür gibt es zwei einfache Antworten: Hillary gibt nicht einfach so auf. Und was sie jetzt durchmacht, ist nichts im Gegensatz zu dem, was sie schon durchgemacht hat.
Es ist so lange her, dass Bill Clintons 12-jährige Affäre mit Gennifer Flowers, die seinen Wahlkampf gefährdete, schon fast vergessen scheint. Hillary hat es durchgestanden und er hat gewonnen.
Geduldig ertragen
Dann war da noch die Affäre mit Monica Lewinsky, Bills Lieblingspraktikantin, die ihn als Präsidenten beinahe stürzen liess. Hillary ertrug das Amtsenthebungsverfahren geduldig und er wurde nicht abgesetzt.
Jetzt versucht Hillary wieder einmal, eine Situation geduldig zu ertragen, und hofft vielleicht immer noch auf einen Sieg. Sie wird die Nominierung nicht gewinnen, aber wenn doch, dann kenne ich den perfekten Vizepräsidenten. Er ist Japaner, ein bemerkenswerter Mann und er hat vielleicht sogar Zeit.
Jonathan Mann - Campaign Trail Column für den 16.5.08
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «The Campaign Trail» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.
CNN-Kolumne von Jonathan Mann
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