Dienstag, 23. August 2005 / 10:45:42
Nachrichten von gestern
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Die Arbeit für die Zeitungen ist keine Einfache. Wer heute den «Tagi», die «NZZ», «20 Minuten» oder den «Blick» aufschlägt, ist über die Vorfälle von gestern gut informiert.
Wer die Ereignisse im TV, Radio und vor allem im Internet nahe genug verfolgt hat, weiss vielleicht sogar manches Detail mehr als einige Zeitungsredakteure.
Was alle wissen: In der Nacht auf Montag sterben zwei Feuerwehrmänner in den Schlammmassen. Die Innerschweiz, der Kanton Aargau und der Kanton Bern sind besonders betroffen. Viele Seen haben ihre Höchstmarken erreicht und drohen zu überlaufen.
Heute sind diese Fakten keine Nachrichten mehr. Darüber brauchen die Zeitungen nicht mehr ausführlich zu schreiben. Höchstens in einem Kasten über die Chronologie der Ereignisse. Sie sollen und dürfen sich auf die Zweitverwertung dieser Nachrichten konzentrieren. Sie können sich einordnenden Fragestellungen zuwenden, von Einzelschicksalen erzählen, Augenzeugenberichte aufrollen, die spektakulärsten Bilder zeigen.
Die massiven Überschwemmungen und die Nachfrage in der Bevölkerung zeigt auf, wie das Internet und die Zeitungen als Medien gut neben- und miteinander funktionieren können.
TV und Radio sind mit stundenaktuellen Nachrichten ebenso so schnell wie das Internet, aber sie können nur begrenzt berichten, weil der Sendeplatz so teuer ist.
Im Internet können Nachrichten über solche Grossereignisse tiefer bearbeitet werden: Die Fakten, die Gefahren, Tipps, wie mit den Fluten umzugehen ist, Angaben über Infozentralen, Telefonnummern. Dazu auch erste Bilder aus den Krisengebieten, im Video- und Foto-Format.
Dies alles haben wir gestern auf news.ch versucht. Und damit - mit Blick auf die Lesezahlen - ein drei- bis vierfach gesteigertes Leseinteresse auf der Site erlebt.
Heute können sich die Zeitungen den Hintergründen widmen. Der «Blick» etwa geht ganz aufs Bild, zeigt in Grossformat die spektakulärsten Shots aus der Luft. Auch «20 Minuten» zeigt eine Bildauswahl und listet dabei die wichtigsten Fakten auf: Tote, Evakuierte, Bundesrat Schmids Besuch, lauernde Gefahren.
«Der Tagesanzeiger» verlangt Hochwasserkonzepte und eine Gefahrenkarte. Die «Neue Luzerner Zeitung» steigt auf den Klimazug auf und sieht grosse Unwetter auf die Schweiz zu kommen.
Doch: Die meisten Tageszeitungen rollen die Ereignisse von gestern auf ihren Frontseiten wieder auf. Auch grosse Zeitungen wie «Tagesanzeiger» oder «NZZ», die beide aufwändige Online-Redaktionen führen und es eigentlich besser wissen sollten.
Die Aufgabe, nach einem solchen Tag wie gestern nicht mehr ausführlich die Fakten zu liefern und trotzdem einen wirklichen Mehrwert zu schaffen, ist eine schwierige. Doch sie ist zugleich auch eine Chance. Tageszeitungen können die Vorarbeit des Internets nutzen - vor allem diejenige im eigenen Haus - und sich noch mehr auf Zweitverwertungen konzentrieren, um die Schrecken des Vortages näher zu bringen und zu vermitteln.
von Barnaby Skinner (Quelle: news.ch)
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