Donnerstag, 3. April 2008 / 23:48:44
«Das Ultimatum an die Bundesrätin ist ein Test»
Bern - Das Ultimatum an die Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ist ein weiterer Schachzug der SVP, um die politischen Gegner zu testen. Politiker fragen sich, wie die anderen Bundesratsparteien darauf reagieren werden.
Widmer-Schlumpfs Geschlecht spielt nach Meinung von politischen Beobachtern eine untergeordnete Rolle bei den heftigen Attacken der SVP. Denn die neue Bundesrätin sei nicht gewählt worden, weil sie eine Frau sei, sondern weil sie einen Gegenpol zu Christoph Blocher verkörpere, sagt der freisinnige Lausanner Marc Comina.
SVP spielt «Lady-Killer»
Comina hat ein Buch über die Abwahl der ehemaligen CVP-Bundesrätin Ruth Metzler 2004 geschrieben. Die SVP habe keine Angst, die Rolle der «Lady-Killer» zu spielen. Das sei die Art und Weise der Partei zu zeigen, dass Widmer-Schlumpf ein «Homo politicus» sei wie jeder andere auch, erklärt Experte Comina.
«Die SVP attackiert die Legitimität der neuen Bundesrätin aufgrund einer Fernsehreportage, deren Objektivität fragwürdig ist», sagt Yvette Barbier, Initiantin der «Frauenwache». Um die Bundesrätin zu unterstützen, treffen sich die Mitglieder der «Frauenwache» am 24. April in Graubünden. Die Idee zu dem Projekt entstand nach der Abwahl Metzlers aus dem Bundesrat.
Die anderen Bundesratsparteien haben nach Meinung von Comina etwas voreilig angenommen, sie hätten mit der Abwahl Blochers aus dem Bundesrat der SVP den Meister gezeigt. «Wenn die Parteien die SVP bekämpfen wollen, dann mit Ideen für die nationale Politik und nicht mit Mauscheleien.»
Parteien müssen aufwachen
Neben dem Ultimatum an Widmer-Schlumpf und die Bündner SVP-Sektion sollten gemäss Comina sowohl die jüngsten Wahlerfolge der SVP in St. Gallen und Schwyz als auch die Kampagnen gegen die Kopftuch tragende Micheline Calmy-Rey und gegen das Schulharmonisierungsprojekt HarmoS die anderen Parteien aufrütteln.
Die Stosskraft der SVP, ihre Strategie «bis zum Äussersten zu gehen» und auch ihre Professionalität führen laut dem Lausanner Freisinnigen zu einer Angleichung der Schweizer Politik an internationale Verhältnisse. Die anderen Parteien würden gezwungen sich zu modernisieren, präsent zu sein und politische Ideen aufs Tapet zu bringen.
SVP setzt erste Zeichen
Für den ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann setzt die SVP erste Zeichen ihres Oppositionskurses, die Partei «tastet sich aber noch vor». «Allerdings wird die SVP mit dem Geld, das ihr zur Verfügung steht, das System erfolgreich unter Druck setzen können», sagt Bodenmann.
«Das Ultimatum an Widmer-Schlumpf ist ein Test», zeigt sich Bodenmann überzeugt. Die ganze Schweiz sei gespannt auf die Reaktion der anderen Bundesratsparteien. Die Freisinnigen, selbst scharf angegriffen nach dem Swissair-Debakel, sollten sich daran erinnern, dass die UBS-Führung der SVP nahe stehe. «Wird die FDP die Gelegenheit ergreifen?», fragt der Walliser SP-Mann.
Zerfall der politischen Kultur
Die SVP wird für heftige Attacken, Drohungen und auch für den Sittenzerfall der politischen Kultur in der Schweiz verantwortlich gemacht. Die Zeiten, in denen sich ein Politiker oder eine Politikerin frei ausdrücken konnte, ohne um die eigenen Sicherheit besorgt zu sein, scheinen vorbei zu sein.
Die Politiker sind laut Comina und Bodenmann allerdings schon immer Drohungen ausgesetzt gewesen. Pierre Chiffelle, ein ehemaliger Waadtländer Regierungsrat, habe per Post eine Kugel erhalten. «Und Christoph Blocher tritt nicht ohne Leibwächter auf», sagte Marc Comina weiter.
Yvette Barbier sieht eine Veränderung: «Wenn die Bevölkerung mit populistischen Methoden aufgepeitscht wird, dann motiviert dies Einzelne dazu, Nägel mit Köpfen zu machen». Und was den angeblichen Schutz der Politiker betreffe, so erinnerte Barbier daran, dass Micheline Calmy-Rey am vergangenen 1. August auf dem Rütli sehr exponiert gewesen sei.
Tania Buri (Quelle: sda)
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