Sonntag, 31. Dezember 2006 / 10:47:13
Saddam tot - alles gut?
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Saddam Hussein, der Schlächter vom Zweistromland, der Despot des Iraks, ist tot. Erhängt im «Lager der Gerechtigkeit», nachdem ein Berufungsgericht das Todesurteil gegen ihn bestätigt gehabt hatte. Doch viel wird sich deshalb im Irak nicht ändern. Nicht einmal George W. Bush gibt sich noch der Illusion hin, dass Saddam mehr als eine schwindende symbolische Wichtigkeit für den Irak hatte.
Einzig für Bush selbst war es ein später Sieg. Er hat nun jenen Mann unter die Erde gebracht, der einmal versucht hatte, ein Attentat auf seinen Vater zu begehen. Er hat den Mann getötet, der sich offen gegen die USA gestellt hatte, nachdem er einmal Verbündeter gewesen war. Doch abgesehen von diesen nun befriedigten Rachegelüsten dürfte die Befriedigung selbst für Bush bescheiden sein.
Doch was für ein Zeichen wird hier der Welt geschickt? Ein Zeichen, dass Gerechtigkeit siegt? Dass nun die Justiz das Geschehen im Irak bestimmt?
Obwohl es eigentlich allen klar ist, dass Saddam ein grausiger Schlächter war, so war er doch nicht herausragend in der Gallerie des Grauens. Quer durch den arabischen Raum hindurch sind immer noch Gewaltherrscher an der Macht. Zentralafrika ist ebenfalls noch eine ständig schwärende Wunde, Simbabwe wird vom offenbar grössenwahnsinng gewordenen Robert Mugabe zugrunde gerichtet, Kim Yong Il zündelt immer noch an der Atombombe, während sein Volk verhungert und Alexander Lukaschenko zeigt auf, dass auch europäische Diktatoren noch möglich sind, derweil in Russland Oppositionelle um ihr Leben fürchten müssen.
Deshalb nochmals die Frage: Was soll diese Hinrichtung, was kann sie bewirken? Als Zeichen an die Diktatoren der Welt bedeutet sie höchstens, dass diese mit aller Macht versuchen müssen, an derselben zu bleiben. Wer verliert, ist verloren. Doch das wissen diese Männer der Gewalt ohnehin. Es ist ihre stete Furcht, mit Ihrer Macht auch ihr Leben zu verlieren, denn es ist ihnen klar, dass sie keine Legitimation haben. Dass sie nach einem verlorenen Krieg auch ihr Leben verwirken würden, ist nur logisch. Dass Saddam und seine erträumte Dynastie tot waren, als die Amerikaner in Bagdad standen, war die einzige mögliche Konsequenz. Das Signal für andere Diktatoren kann also nur sein: Klammert euch an die Macht, solange es geht.
Aber gibt es womöglich eine Botschaft an das irakische Volk? Sicher, die Opfer von Saddam, Leute, die unter seiner Herrschaft gefoltert wurden, Menschen, denen Angehörige und Freunde geraubt wurden, empfinden Erleichterung über Saddams ableben. Doch Frieden wird sicher nicht einkehren, denn es wurde im Prozess nicht die irakische Vergangenheit, die ganze husseinsche Gewaltherrschaft, sondern 'nur' ein Massenmord an Kurden aufgearbeitet. Nicht die Geheimgefängnisse, nicht die tausenden Folteropfer, nicht das System des Regimes.
Für die Sunniten sieht es einfach so aus, als hätten die Kurden und Schiiten über einen von ihnen gerichtet, hätten sich jene, die sie vorher unterdrückt hatten, mit Hilfe der Amerikaner gegen sie gewendet und würden nun Rache nehmen. Die Schiiten und Kurden unterscheiden ebenso wenig zwischen Sunniten und alten Parteigängern von Saddam. Die Klüfte sind gigantisch, die sich zwischen den verschiedenen Seiten aufgetan haben und Saddams Tod wird diese nicht zuschütten können.
Im besten Fall schert sich kein Mensch mehr um den gehängten Diktator, um diesen Mann, der noch bis zuletzt seiner Vergangenheit nachhing und vergisst ihn so schnell wie möglich. Im schlimmsten Fall vertieft diese Hinrichtung die Gräben noch weiter, zerreisst den Irak noch mehr. Doch eines wird dieser Tod bestimmt nicht bringen. Frieden im Zweistromland. Saddam Tod – alles gut? So einfach geht das dann doch nicht.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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