Freitag, 6. Mai 2005 / 11:56:27
Rote Karte für die Anklage
Santa Maria - Nach über zehn Wochen auf der Anklagebank und den Aussagen von 85 Zeugen mit teils drastischen Schilderungen sexueller Vergehen kann Popstar Michael Jackson dem weiteren Verlauf des Prozesses gelassen entgegen sehen.
Darin waren sich am Mittwoch nach dem schleppenden Finale der Beweisführung durch die Anklage die meisten Prozessbeobachter einig. Der Fall von Staatsanwalt Tom Sneddon, Jacksons erklärtem "Erzfeind", steht auf wackeligen Füssen.
Letztem Zeuge fehlen Beweise
Als letzter Zeuge hätte der Plattenproduzent Rudy Provencio in Santa Maria (Kalifornien) den Vorwurf untermauern sollen, Jackson habe gemeinsam mit seinen Helfern ein Komplott geschmiedet.
Demnach sollte er versucht haben, die Familie seines jugendlichen Beschuldigers unter Druck zu setzen und ihn auf seiner Neverland-Ranch quasi gefangen zu halten. Zwar hörte Provencio, wie Mitarbeiter des Popstars darüber sprachen, dass die Familie im Frühjahr 2003 von Neverland "geflüchtet" sei.
Allerdings konnte er keinen Beweis dafür liefern, dass Jackson bei ihrer "Freiheitsberaubung" - einer der schwerwiegenden Anklagepunkte neben sexuellem Missbrauch und Verabreichen von Alkohol an einen Dreizehnjährigen - persönlich seine Hände im Spiel hatte.
Ex-Frau lobt Jackson
Erst in der vergangenen Woche hatte die Anklage durch die Aussage von Jacksons Ex-Frau Debbie Rowe eine bittere Niederlage einstecken müssen. Sie sollte der "krönende Abschluss" sein, doch nun "sieht es gar nicht gut aus", sagte der Prozessbeobachter Andrew Cohen vom Sender CBS.
Mit der von Rowe erwarteten Darstellung wollte die Anklage Parallelen zu den Vorwürfen der Mutter des Teenagers ziehen, dass sie beide vom Jackson-Team genötigt worden waren, den Popstar in einem Entlastungsvideo in höchsten Tönen zu preisen.
Genau das tat Rowe zu Sneddons Überraschung vor der Jury. Sie lasse sich von niemandem vorschreiben, was sie zu sagen habe, versicherte die Mutter von Jacksons Kindern Prince Michael und Paris. Jackson sei tatsächlich ein "grossartiger Mensch" und ein "wunderbarer Vater".
Prominente Zeugen
Ähnliche Lobeshymnen möchte Jackson-Anwalt Thomas Mesereau in den kommenden Wochen seinen teils prominenten Zeugen entlocken. Aus der Liste mit 250 potenziellen Zeugen stechen Namen wie Elizabeth Taylor, Diana Ross, Eddy Murphy und Stevie Wonder hervor.
Mesereau ist es bereits gelungen, die Glaubwürdigkeit der wichtigsten Anklage-Zeugen stark in Zweifel zu ziehen. Dem jetzt 15 Jahre alten Jungen, der Jacksons des Missbrauchs beschuldigt, konnte er widersprüchliche Aussagen nachweisen und ihn als ungezogenen, aufmüpfigen Schüler entlarven.
Seine Mutter, die mit Tränen, heftigen Gebärden und Antworten wie "In Neverland geht es nur um Saufen, Pornografie und Sex mit Jungen" im Gericht für Wirbel sorgte, stellte er als geldgierige Lügnerin dar. Sie soll in einem früheren Prozess gegen eine Warenhauskette bereits unter Eid gelogen haben.
Der Gerichts-"Thriller" kann nach Einschätzung von Prozessbeobachtern noch gut zwei Monate dauern. Sorgte Jacksons verspätetes Erscheinen in Pyjama-Hosen bereits weltweit für Schlagzeilen, so dürfte sein möglicher Auftritt im Zeugenstand das bizarre Drama auf die Spitze treiben.
Barbara Munker (Quelle: dpa)
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