Donnerstag, 19. März 2009 / 11:16:52
Wenn ein Roter bei den Roten rote Köpfe macht....
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Und nicht nur bei den Roten, obwohl es ja verblüffend ist, dass sich auch die Bundesrätin Calmy-Rey über Dinge echauffiert, die von einem anderen Genossen gesagt wurden. Der Fall Steinbrück ist unterdessen weit jenseits von der eigentlichen Sache gestrandet und demonstriert vor allem eines: Wenn zwei dieselbe Sprache sprechen, ist das noch lange nicht das gleiche. Und wenn ein Nordlicht wie Peer Steinbrück mal deutsch und deutlich redet, dann tönt das in den Ohren vieler harmoniebedürftiger Schweizer wie das Geheul von Stukas beim Angriff.
Doch Steinbrück ist keine Ju-87 sondern ein Politiker mit sehr präzise umrissenen Interessen: Selbst gut aussehen und die eigene Agenda voranbringen. Wenn diese Ziele mit denen eines anderen Staates kollidieren, dann sucht ein knallharter Politiker wie Steinbrück (der in Deutschland selbst auch viele Anfeindungen erlebt), den Frontalangriff.
Und der Erfolg gibt ihm recht. Die Schweiz hat ohne Gegenleistung die eigenen Verträge mit der EU gekündet und demonstriert, dass eine Drohkulisse und harte Worte schon ausreichen, um unseren konzilianten Bundesrat wie eine Schar Hühner auseinander stieben zu lassen.
Steinbrücks Ansehen unter seinen Parteikollegen und auch Gegnern hat dieser Erfolg garantiert Auftrieb gegeben und er wusste auch um die Rückendeckung aus der OECD, die mit der Pseudo-Liste den Knallfrosch geliefert hat, um den «Steueroasen» richtig Dampf zu machen.
All das wurde erst möglich durch die Rezession und den Druck auf die meisten OECD-Mitgliedsländer, so viel Geld wie möglich zur Finanzierung ihrer Konjunkturpakete einzunehmen. Erst dieser Sturm hat die Wellen so aufgewühlt, dass unsere Schönwetter-Regierung kenterte.
Doch was soll's – diese Sache ist gelaufen und man müsste sich jetzt damit befassen, wie zumindest der Status Quo gehalten werden kann und in Zukunft Schnellschüsse dieser Art zu verhindern wären. Und wie die Gegner der Schweiz, die auch Dreck am Stecken haben (US-Schwarzgeldparadies Delaware, Grossbritannien mit seinen Steueroasen von Jersey bis in den Pazifik, etc.) als Konkurrenten auszuschalten oder zumindest ähnlich in den Möglichkeiten zu beschneiden sind, wie dies mit uns der Fall ist.
Doch die Köpfe sind viel zu rot zum Nachdenken. So rot, dass sogar einfachste arithmetische Fähigkeiten ausfallen und der St. Galler CVP Nationalrat Müller von vor sechzig Jahren marschierenden Stiefeln schwadronierte... und er so die Nazi-Herrschaft bis 1949 verlängerte. Auch andere greifen Steinbrück an, der auch mit Drohbriefen und Massenmails aus der Schweiz eingedeckt wird.
Welche Hoffnungen an diese Anfeindungen geknüpft werden, ist schleierhaft: Steinbrück wird durch dieses irrationale Geschrei in Deutschland höchstens noch gestärkt, denn das Mitgefühl im Volk für reiche Steuerhinterzieher und jene, die diesen helfen, ist sehr limitiert.
Wenn die Schweizer nun mit «hässlichem Deutschen» und Nazi-Analogien von sich reden machen, tun sie Steinbrück den Gefallen, im Ausland selbst als Ertappte mit schlechtem Gewissen zu scheinen, die empört auf den zeigen, der sie bei etwas Verbotenem erwischt hat.
Die panische Reaktion, das Geschrei, die Empörung und die unglaubliche Emotionalität der Debatte zeigen vor allem auf, dass die Schweizer Politik völlig von der Rolle ist und weder Bundesrat noch Parlament mit sich schnell wandelnden Situationen umzugehen wissen.
Die Hilflosigkeit macht sich nun bemerkbar: durch schrille Töne und rote Köpfe. Ob das der Schweiz viel bringt sei dahin gestellt – aber wenigstens bringt es etwas Farbe in die düsteren Nachrichten aus Politik und Wirtschaft, auch wenn das Rot irgendwann etwas fade sein wird.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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