Sonntag, 23. November 2008 / 15:35:00
Vernichtete Akten: Bundesrat in Strassburg angeklagt
Bern - Wegen der Aktenvernichtung im Atomschmuggel-Fall Tinner ist in Strassburg eine Klage gegen die Eidgenossenschaft eingegangen. Damit wehrt sich der Anwalt von Urs Tinner gegen die Zerstörung von entlastendem Beweismaterial durch den Bundesrat.
Mit seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg beschwere er sich gegen die Beschneidung der Verteidigungsrechte durch die Schweizer Regierung, bestätigte Verteidiger Roman Bögli einen Bericht der «SonntagsZeitung». Das Ziel bleibe die Befreiung Urs Tinners aus der Untersuchungshaft.
Der Bundesrat hatte vor einem Jahr beschlossen, Akten aus dem Verfahren gegen die mutmassliche Atomschmuggler-Familie Tinner - die Brüder Urs und Marco sowie ihren Vater Friedrich - vernichten zu lassen. 87 Ordner mit Verfahrensakten wurden vernichtet sowie Daten und ganze Computer.
Laut Bundesanwalt Erwin Beyeler war die Bundesanwaltschaft mit dieser Aktion nicht einverstanden. Seiner Ansicht nach hätten die Akten nicht vernichtet, sondern der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA übergeben werden müssen.
Druck der USA?
Seinen Schredder-Entscheid hatte der Bundesrat damit erklärt, dass er im Interesse der Schweiz und in Erfüllung internationaler Verpflichtungen erfolgt sei. Es habe vermieden werden müssen, dass die Unterlagen in falsche Hände fallen würden.
Die Bundesanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die Aktenvernichtung auf Drängen der USA hin geschah. Nach Medienberichten wollte der US-Geheimdienst CIA seine Informanten aus der Tinner-Familie schützen. Diese haben demnach mit ihren Tipps geholfen, dass das libysche Atomprogramm aufflog.
Bögli rechnet damit, dass Strassburg für die Bearbeitung länger brauchen wird als die Schweizer Behörden. Sein Ziel ist es, solche Fälle von Beweisvernichtung durch eine Schweizer Regierung zu verunmöglichen. Für ihn sei das wie Guantánamo, sagte Bögli.
bert (Quelle: sda)
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