Montag, 8. Oktober 2007 / 11:08:23
Die Linken, die Rechten und ihre Krawaller
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Randalierende Schwarzblöckler auf dem Bundesplatz, pöbelnde Nazis auf dem Rütli – die Extremisten-Szene der Schweiz ist in den letzten Jahren zu richtig spektakulären Auftritten gekommen. Die Schweiz ist zu ihrem Übel mit einer gehässigeren politischen Realität konfrontiert, deren Quellen ausgetrocknet werden müssten.
Die Schuldzuweisungen der SVP helfen dabei überhaupt nichts, sind aber symptomatisch für das schweizerische Politklima, das immer unfreundlicher und rauer wird. Wer genau den Anfang gemacht hat, die Linke oder die Rechte, ist fast schon eine müssige Frage. Allerdings kann die SVP sicher auf ihre Fahnen schreiben, ideologische Hassparolen im politischen Alltag als Standard etabliert zu haben. Die populistische Überspitzung von Anliegen hat bei vielen Leuten des rechten politischen Spektrums das Gefühl etabliert, dass auch blanker Rassismus ganz in Ordnung ist und ein solches Denken nun endlich auch in der Regierung Vertretung gefunden hat.
Die Gegenreaktion liess natürlich nicht lange auf sich warten und jene links-autonomen Gruppen, die früher vor allem gegen gefühlte Gegner wie die «Bürgerlichkeit» oder das «Kapital» kämpften, eben jene Dinge, die einer idealisierten Fantasiewelt im Wege standen, haben nun endlich ein konkretes Ziel, personifiziert durch Christoph Blocher, ihren Gottseibeiuns, dessen Handeln scheinbar nicht mehr rational bewertet werden kann, gefunden.
So fischen denn SP, SVP und Fundamental-Grüne immer noch freudig nach Stimmen an den Rändern des Polit-Spektrums und weder die Linken noch die Rechten distanzieren sich mit klaren Worten von den Extremisten und wünschen sie in die Wüste.
Eigentlich wäre es an der Zeit, dass Ueli Maurer und Hans-Jürg Fehr – unter Umständen zusammen mit den anderen Parteipräsidenten – sich ganz klar gemeinsam zu einem Minimal-Konsens bekennen würden. Dieser müsste umfassen, dass die Parteien sich eindeutig von Rassisten, Extremisten und anti-demokratischen Kräften jeder Couleur distanzieren und Abgeordnete und Mitglieder, die Sympathien zu solchen Kreisen zum Ausdruck bringen, oder sogar selbst entsprechend handeln oder politisieren, ausschliessen.
Eine überparteiliche Kommission würde die Einhaltung dieses Kodexes überprüfen und Verfehlungen öffentlich machen. Es muss sowohl links wie auch rechts ganz klar sein, dass extreme Kräfte die Demokratie gefährden, ja sogar zerstören können. Und eine schleichende Extremisierung, wie sie momentan vor allem rechts stattfindet, für die aber die Linken genau so anfällig sind, muss auf alle Fälle verhindert werden.
Die Ausschreitungen von Bern sind ein hässliches Mal im Gesicht der Schweizer Demokratie, die langsam aber sicher so zerstritten scheint, dass sie es nicht einmal mehr schafft, die wichtigsten, symbolischen Plätze der Schweiz – den Bundesplatz und das Rütli – vor extremistischem Abschaum frei zu halten. Möglich werden solche Ereignisse nur durch eine Gleichgültigkeit oder eine stillschweigende Billigung von Gewalttätern und -taten.
Die Respektlosigkeit, Schnoddrigkeit und Verächtlichkeit, die in letzter Zeit Einzug in den politischen Diskurs gehalten haben, lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob schon bald eine Heilung der angeschlagenen Politkultur erwartet werden kann.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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