Freitag, 12. Januar 2007 / 11:26:52
Am Rande des Abgrunds - und einen Schritt weiter
.
Es gibt eine Regel, die für Kriege fast universell gilt: Wenn das eigene Volk nicht mehr daran glaubt, dann ist die Niederlage nicht mehr abzuwenden. Wenn eine Regierung dann nicht nach neuen Wegen zum Frieden sucht und stattdessen sogar noch mehr vom selben liefert, dann ist in der Regel auch diese am Ende.
George W. Bush ist genau dort angelangt.
Am Ende.
Dabei hätte die Sache sogar halbwegs gut gehen können, damals vor bald 4 Jahren. Doch sämtliche Warnungen im Vorfeld des Irak-Feldzuges wurden damals verhöhnt, zerpflückt, in den Wind geschlagen. Es wurde, wie auch schon auf news.ch geschrieben wurde, gepfuscht und statt seriöser Planung ein Wunschdenken etabliert, dass Fakten so gut wie möglich vermied und diese mit selbst-produzierten, als Tatsachen ausgegebenen Propagandafantasien ersetzte.
Das Resultat war und ist eine Katastrophe. Tausende Amerikaner, hunderttausende Iraker sind seither gestorben. Statt einer friedlichen Demokratie präsentiert sich die Gesellschaft im Zweistromland als zerrissene, hasserfüllte Nation, die dabei ist, sich in einem religiös motivierten Bürgerkrieg zu zerfleischen. In einem Bürgerkrieg, der vielleicht hätte vermieden werden können, hätte sich die US-Regierung bei ihren Kriegsplänen nicht von ihren Wolkenkuckucksheimfantasien sondern von den realistischeren Szenarien leiten lassen, die damals viel mehr Truppen und eine straffe Kontrolle nach den Kriegshandlungen verlangten.
Doch der Krug ist zerbrochen, Humpty-Dumpty ist von der Mauer gefallen und die Frage ist, ob die Scherben nicht nur zusammen gewischt sondern wieder zusammen gesetzt werden können.
Der Versuch von Bush, nun mit über 20 000 Soldaten doch noch einen Erfolg – das Wort Sieg hat er nicht mehr in den Mund genommen – zu erringen, ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Das angesammelte Gewaltpotential, die nun während Jahren etablierten Fronten, die Einflüsse aus Syrien, Saudi Arabien und dem Iran, all diese Faktoren machen eine militärische Befriedung des Iraks, die dauerhaft wäre, praktisch unmöglich.
Die religiöse Zerrissenheit des Iraks, der nach dem ersten Weltkrieg aus drei Provinzen des untergegangenen ottomanischen Reiches zusammen gepuzzelt wurde, wird sich auch nicht mit 50 000 oder 100 000 zusätzlichen Soldaten kitten lassen. Es wäre kurz nach dem Sturz von Saddam Hussein vielleicht noch möglich gewesen, hätte ein Plan bestanden, wie die Vergangenheit hätte aufgearbeitet werden können. Doch nach den gegenseitigen Massakern und Gräueltaten untereinander und den Folterskandalen und Morden durch angehörige der US-Armee und deren Vertragspartner von Sicherheits- und Übersetzungsfirmen, die Verhöre durchführen, ist jedes Vertrauen zwischen den Beteiligten gründlich aufgebraucht. Eine Basis für Friedensverhandlungen scheint nicht mehr zu existieren.
Es ist durchaus möglich, dass die Gewalt in Bagdad mit den Zusatztruppen für einige Zeit zurückgehen wird. Doch das wird lediglich das Stopfen eines Lochs im Deckel eines Dampfkochtopfes sein. Das Feuer unter dem Topf wird davon nicht beeinflusst werden.
Der Irak könnte durchaus zerbrechen, wobei auch daraus wieder neue Probleme entstehen könnten.
Ein Kurdistan würde zum Beispiel von der Türkei nicht akzeptiert werden – der Friede im Norden des Irak wäre somit auch dahin. Die Schiiten und Sunniten hingegen werden sich, weil die Territorien und auch der Zugang zum Erdöl umstritten sind, weiterhin erbittert bekämpfen und das Gebiet des Irak wäre dann auch offiziell das, wozu es sich schon langsam entwickelt: ein Schlachtfeld, auf dem sich die iranisch gestützten Schiiten und die von arabischen Staaten gepushten Sunniten gnadenlos bekämpfen.
Der Ausblick ist traurig und auch Bushs neuester Versuch, zu kitten, was er mit Arroganz und Dummheit zerbrochen hat, dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Aber nun ist auch sein Volk, ja sogar seine eigene Partei gegen ihn. Sein Scheitern ist so gut wie sicher und die Tatsache, dass niemand sonst eine vielversprechende Lösung zu präsentieren vermag, ist kein Zeichen dafür, das Bush doch noch recht haben könnte. Es zeigt nur, dass man wahrlich unlösbare Probleme schaffen kann.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
Artikel per E-Mail versenden
Druckversion anzeigen
Newsfeed abonnieren
In Verbindung stehende Artikel:
Die Früchte des Pfusches
Dienstag, 17. Juni 2014 / 12:35:00