Dienstag, 6. September 2005 / 15:03:49
«The Big Easy» aufgeben oder aufbauen?
Washington - Der Sprengkraft seiner Sätze war sich Dennis Hastert zunächst nicht bewusst. Als der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses den Wiederaufbau von New Orleans in Frage stellte, rief er einen Sturm der Entrüstung hervor.
Flugs beeilte sich der Republikaner zu erklären, er habe lediglich seine Besorgnis um die Sicherheit der Einwohner zum Ausdruck bringen wollen. Diese «grossartige historische Stadt» dürfe nicht aufgegeben werden.
In dem Interview hatte das noch anders geklungen: Es sei «verbohrt», Milliarden Dollar aus dem Bundeshaushalt in die unter dem Meeresspiegel liegende und flutanfällige Stadt zu pumpen, sagte er dort.
Diskussion eröffnet
Die Diskussion ist in den USA eröffnet: Lohnt sich ein Wiederaufbau der Stadt?
Präsident George W. Bush liess bei seinem Besuch der Katastrophengebiete am Freitag keine Zweifel an seiner Haltung aufkommen. Die «The Big Easy» (grosse Leichtlebige) solle wieder in altem Glanz erstrahlen. Er selbst werde sich um Wiederaufbauexperten bemühen.
Die von Hasterts Äusserungen empörten Demokraten forderten Bush auf, sein Wort unbedingt zu halten. Es sei «undenkbar», dass das «nationale Kleinod» New Orleans aufgegeben werde, erklärten Harry Reid, Chef der Demokraten im Senat, und Mary Landrieu, Senatorin aus dem US-Bundesstaat Louisiana.
Umsiedlung?
Viele haben allerdings auch Einwände gegen einen Wiederaufbau. «Die Umsiedlung der Stadt bleibt ganz klar eine Option», sagt John Copenhaver, der nach dem Wirbelsturm «Floyd» 1999 im Südosten der USA für die US-Bundesbehörde für Krisenmanagement tätig war.
Gleicher Meinung ist John Rennie, Chefredaktor des Wissenschaftsmagazins «Scientific American». Die Frage, inwieweit New Orleans angesichts der schwierigen Umstände wieder aufgebaut werden könne, müsse «wirklich gestellt werden».
Die Umsiedlung der 1,4 Mio. Einwohner des Grossraums New Orleans wäre allerdings schwierig und teuer, räumen selbst Gegner des Wiederaufbaus ein. Ausserdem würde so ein Kulturjuwel aufgegeben, das im vergangenen Jahr zehn Millionen Touristen anzog.
«Selbst Herrn Hastert ist klar geworden, dass es politisch unmöglich ist, sich einem Wiederaufbau entgegenzustellen», sagt David Schulz, Stadtplaner an der Northwestern University. «Aber wir können die Stadt nicht mehr in den Zustand versetzen, in dem sie sich am Samstag vor dem Hurrikan befand.»
«Grosse Chance»
In einem ersten Schritt müssten die Deiche verbessert werden, rät der Experte. Dann sollten die am stärksten verwüsteten Viertel mit ihren wenig robusten Holzhäusern abgerissen werden. «Es macht keinen Sinn, Haus für Haus und Stück für Stück wieder aufzubauen, wie es normalerweise der Fall ist», argumentiert Schulz.
Im Wiederaufbau sieht der Stadtplaner eine grosse Chance für New Orleans. Denn die Metropole besteht nicht nur aus der pittoresken Altstadt, sondern birgt auch viel Elend: Knapp jeder dritte Mensch lebt hier unter der Armutsgrenze.
«Wir müssen die Menschen an den Planungen beteiligen», sagt Schulz. «In gewisser Weise ist das eine tolle Möglichkeit für diese arme und elendige Stadt, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.»
Charlotte Raab (Quelle: afp)
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