Donnerstag, 21. April 2005 / 12:06:22
Kirchenwinter: Lateinamerika traut Benedikt XVI. nicht
Rio de Janeiro - Die Kirchenglocken läuteten minutenlang in ganz Lateinamerika, sogar im sozialistischen Kuba, und Staatschefs sendeten Glückwunschschreiben.
In der grössten katholisch geprägten Region der Erde überwogen aber nach der Wahl des neuen Papstes Enttäuschung und Skepsis. In Lateinamerika sei die Wahl von weiten Teilen der Gesellschaft bedauert worden, räumte sogar die konservative argentinische Zeitung "La Nación" ein. Befürchtet werde vor allem, dass der "Exodus" der Gläubigen verstärkt werde.
Papst Benedikt XVI. könne den sozialen Bewegungen grossen Schaden zufügen, warnte der Dominikanerpater Frei Betto, bis vor kurzem einer der engsten Berater des brasilianischen Präsidenten Luiz Lula da Silva.
"Dass ein Mann an der Kirchenspitze steht, der der heutigen Welt so sehr misstraut, ist Besorgnis erregend", klagte Betto. Der Papst müsse anerkennen, dass Armutsbekämpfung ein Recht der Notleidenden sei.
Lula, der sich mehrfach für einen Lateinamerikaner als Papst ausgesprochen hatte, beglückwünschte Benedikt XVI. und schrieb, er sei sicher, dass der neue Pontifex "beharrlich den Frieden und die soziale Gerechtigkeit fördern" und "die geistigen und moralischen Werte der Kirche wiederbeleben" werde. Viele Abgeordneten von Lulas "Arbeiterpartei" bedauerten aber die Konklave-Entscheidung.
Boff kritisch
Sehr kritisch reagierte der bekannteste Vertreter der umstrittenen Befreiungstheologie in Brasilien, der Ex-Franziskanerpater Leonardo Boff. "Es wird schwer sein, diesen Papst zu lieben", sagte er. Der "Winter der Kirche" gehe weiter.
Furcht vor Spaltung
In Kolumbien sagte der angesehene Soziologe Fabian Sanabria gar eine "Teilung der katholischen Kirche vor allem in den USA und Europa" voraus. "Die Kirche igelt sich in der Doktrin ein", titelte in Brasilien, dem Land mit den meisten Katholiken weltweit, die Zeitung "Jornal do Brasil". Die Menschen hätten in Brasilien vorwiegend negativ auf die Papst-Wahl reagiert.
Der Erzbischof und Vizepräsident der argentinischen Bischofskonferenz Argentiniens, Domingo Castagna rief aber dazu auf, "den Heiligen Vater nicht nach ideologischen Kategorien zu bewerten". Der Präsident von Mexikos Bischofskonferenz, José Rábago sagte: "Wir freuen uns alle, weil der Herr uns den Papst geschenkt hat, den wir erwarteten."
Präsident Vicente Fox lud Papst Benedikt XVI. nach Mexiko ein. Argentiniens Staatschef Néstor Kirchner sprach die Hoffnung aus, dass "der neue Papst ein guter" wird.
Emilio Rappold (Quelle: sda)
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