Donnerstag, 14. April 2005 / 10:22:03
'Zwei Tiger in einem Wald'
Peking - "Ich habe wirklich nichts gegen Japaner, nur gegen die japanische Regierung", sagt Lu Yunfei. Gewöhnliche Japaner hätten "absolut keinen Grund zur Sorge" in China, sagt der Chinese beim Abendessen in einem Pekinger Restaurant.
Er erhebt das Glas und stösst mit einer japanischen Studentin am Tisch an. Lu Yunfei ist einer der bekanntesten Anführer der antijapanischen Bewegung. Die antijapanischen Demonstrationen am Wochenende seien spontan gewachsen, nachdem Aufrufe im Internet und über Kurznachrichten verbreitet worden seien, sagt Lu Yunfei.
Es sei eine "Volksbewegung" gegen Japan, die keine Beziehungen zur Regierung habe. Er stimmt der Ansicht zu, dass die kommunistische Führung manchmal schon von der Bewegung in ihrer Japan-Politik beeinflusst wird.
Nationalismus
"Wenn Nationalisten eine härtere Aussenpolitik fordern, gerät das Aussenministerium in eine Zwickmühle", sagt auch Peter Gries, Experte der Universität Colorado und Autor eines Buchs über Chinas neuen Nationalismus.
Mit der wachsenden internationalen Rolle Chinas und dem zunehmenden Wohlstand wächst das Selbstbewusstsein der Chinesen, die sich längst "nicht mehr herumschubsen lassen". Nationalismus füllt auch das ideologische Vakuum, die der Kommunismus hinterlässt.
"Mit dem Niedergang der kommunistischen Lehre als Quelle der Legitimität für die Kommunistische Partei hängt sie noch stärker vom Nationalismus ab, um sich zu legitimieren", sagt Gries.
Das neue chinesische Selbstbewusstsein muss aber nach Ansicht von Beobachtern schon zwangsläufig mit Japans Drang nach grösserer internationaler Bedeutung kollidieren. Es kann "nicht zwei Tiger in einem Wald geben", sagt eine chinesische Volksweisheit.
60. Jahrestag der Niederlage
Das Ausmass der Empörung in China über die Verharmlosung der japanischen Kriegsvergangenheit erklärt sich aber auch daher, dass in diesem Jahr der 60. Jahrestag der Niederlage der Japaner im Zweiten Weltkrieg begangen wird.
Keiji Ide, Sprecher der japanischen Botschaft, beklagt, dass die Chinesen jetzt in den Zeitungen ständig an die Gräueltaten erinnert werden. "Das Bild der Chinesen von Japan und das Verständnis ist nicht ausgewogen."
Der 60. Jahrestag war ursprünglich auch Anlass für die länger geplante Reise von Japans Aussenminister Nobutaka Machimura am Sonntag nach Peking. Er wollte mit Aussenminister Li Zhaoxing eigentlich über einen "Aktionsplan" zur Verbesserung der Beziehungen sprechen.
Nach den Protesten und seiner knallharten Forderung nach Entschuldigung und Entschädigung demonstrierte Machimura aber nach Ansicht von Beobachtern nicht unbedingt das nötige Feingefühl für die jetzt vielleicht schwierigste Reise seiner erst kurzen Amtszeit.
"Es ist ein grosses Problem, wenn es kein Vertrauen zwischen zwei Völkern gibt", sagt Chu Xiaobo. Der Professor für internationale Beziehungen an der Peking Universität sieht die Zukunft wenig rosig, trotz der wirtschaftlichen Verflechtung.
Immerhin löste China im vergangenen Jahr die USA als grösster Handelspartner Japans ab. Im Moment laufe es "politisch kühl, wirtschaftlich heiss", sagt Chu Xiaobo. "Vielleicht wird es politisch und wirtschaftlich kalt.".
Von Andreas Landwehr und Bill Smith (Quelle: sda)
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