Donnerstag, 20. November 2008 / 13:45:37
Toni Brunner vor Bundesstrafgericht abgeblitzt
Bellinzona - Der ausserordentliche Bundesanwalt ist beim Antrag auf Aufhebung der Immunität von SVP-Parteipräsident Toni Brunner korrekt vorgegangen. Das Bundesstrafgericht ist auf Brunners Beschwerde nicht eingetreten und hält sie für unbegründet.
Pierre Cornu untersucht als ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes gegenwärtig, ob Nationalrat Toni Brunner Amtsgeheimnisverletzung begangen hat.
Dabei geht es darum, ob Brunner den vertraulichen Kommissionsbericht zur Ausschaltung von Bundesanwalt Valentin Roschacher dem Generalsekretär des damaligen Justizministers Christoph Blocher vorgelegt oder gar ausgehändigt hat.
Unzulässige Abkürzung
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates hatte 2007 eine entsprechende Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Unbekannt erhoben. Im vergangenen Oktober beschloss der Nationalrat die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Brunner. Der Ständerat wird darüber erst in der Wintersession entscheiden.
Brunner erhob Ende Oktober Beschwerde ans Bundesstrafgericht, da Cornu eine unzulässige Verfahrensabkürzung genommen habe. Bevor Cornu dem Parlament die Frage über die Aufhebung seiner Immunität hätte stellen dürfen, wäre es nach Brunners Ansicht nötig gewesen, dass er in einem Strafverfahren offiziell angeschuldigt wird.
Keinen Nachteil erlitten
Er verlangte deshalb, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn einzustellen oder dann beim eigenössischen Untersuchungsrichteramt eine Voruntersuchung zu beantragen sei. Das Verfahren um Aufhebung der Immunität sei zu sistieren, bis das Parlament die Ermächtigung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn erteilt habe.
Die Richter in Bellinzona sind auf die Beschwerde nun gar nicht eingetreten. Das Bundesstrafgericht erinnert in seinem Entscheid daran, dass die Aufhebung der Immunität gerade Voraussetzung für die Eröffnung eines Strafverfahren bildet.
Die von Cornu bisher getätigten Schritte seien blosse Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf die mögliche Eröffnung des Strafverfahrens. Dadurch habe Brunner keinen Nachteil erlitten, der ihn zur Beschwerde berechtigen würde.
Gewaltentrennung
Aufgrund der Gewaltentrennung stehe dem Gericht zudem keine Beurteilung der Frage zu, ob Brunner durch das Immunitäts-Verfahren einen Nachteil erleide. Aus dem gleichen Grund habe das Gericht erst Recht nicht die Kompetenz, das Verfahren zur Immunitätsaufhebung zu sistieren.
Gemäss dem Urteil wäre der Beschwerde selbst dann kein Erfolg beschieden gewesen, wenn auf sie hätte eingetreten werden können: Wäre die Eröffnung eines Strafverfahren gegen einen Parlamentarier bereits vor dem Entscheid über die Aufhebung der Immunität möglich, würde dieses Instrument laut Gericht jeglichen Sinn verlieren.
«Nicht beschuldigt»
Die SVP kritisierte das Urteil scharf. Das Bundesstrafgericht habe die zentrale Frage, ob ein Parlamentarier erst beschuldigt worden sein müsse, damit seine Immunität aufgehoben werden kann oder ob erst die Immunität aufgehoben werden müsse, damit er in einem Strafverfahren beschuldigt werden könne, nicht beantwortet.
Durch «eine strikt formal-juristische Betrachtungs- und Argumentationsweise» verschliesse sich das Bundesgericht vor der Tatsache, dass Brunner bis anhin nicht beschuldigt worden sei. «Durch diese Form der Rechtsverweigerung» seien Brunner Grundrechte entzogen worden, welche jedem Beschuldigten in einem Strafverfahren kraft Bundesverfassung zustünden. (Urteil BB.2008.93 vom 18.11.2008)
fest (Quelle: sda)
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