Freitag, 5. September 2008 / 10:05:00
McCain stimmt in Obamas Schlachtruf ein
St. Paul - Als John McCain seine Rede beendet hatte, zog die Parteitagsregie alle Show-Register - 300 Pfund Glitzer-Konfetti entluden sich von der Decke in St. Paul, 300'000 Luftballons schwebten herab.
Doch das Party-Beiwerk passte nicht so recht zu der nüchternen, nachdenklich vorgetragenen Rede, mit der sich der Senator eben seinen Republikanern als Präsidentschaftskandidat vorgestellt hatte.
Ohne jedes Pathos präsentierte sich McCain als Reformer, der einen politischen Neubeginn will. «Der Wandel wird kommen», versprach McCain. Es klang wie ein leiser Widerhall seines Gegners Barack Obama, der «Wandel» zum beherrschenden Schlagwort des Jahres gemacht hatte.
McCain war unter dem Druck eines doppelten Dilemmas ans Rednerpult getreten: Er musste sich von seinem unpopulären Parteifreund George W. Bush abgrenzen, ohne dessen verbliebene Anhänger zu verprellen. Und er musste - obwohl Politikveteran - auch den ausgeprägten Wunsch vieler Wähler nach einem Neubeginn bedienen.
«Das Vertrauen verloren»
McCain versuchte dies mit ehrlicher Kritik an der Bilanz seiner eigenen Partei: «Wir haben das Vertrauen der Amerikaner verloren», sagte er. «Wir waren gewählt worden, um Washington zu ändern, doch Washington hat uns geändert.»
Die strenge Worte liessen es einen Moment ganz still im Saal werden. Anders als Obama redete McCain leise, so als halte er direkte Zwiesprache mit dem Wähler. Anders als seine Vizekandidatin Sarah Palin am Vorabend brachte McCain damit den Saal aber nicht wirklich zum Kochen.
Klage über Establishment
Von der Bürde der Unbeliebtheit Bushs versuchte sich McCain zu befreien, indem er in die Klagen vieler Wähler über das politische Establishment in Washington einstimmte. Dort werde eine Politik praktiziert, die «alt, verschwenderisch, untätig, eigennützig» sei.
Mit Parteiengezänk und Filzskandalen werde er Schluss machen, versprach McCain. Seine Rede sei als «Vorwarnung an die Washingtoner Meute» zu verstehen, dass bald ein anderer Wind wehe.
Für McCain ist es ein argumentativer Balanceakt, über dessen Gelingen auch nach dieser Nacht noch nicht entschieden ist: Obwohl seit Jahren einer der bekanntesten Washingtoner Politiker, gibt sich McCain als Aussenseiter.
«Eigener Rhythmus»
Immer wieder betonte er in seiner Rede seinen Ruf als Querdenker. «Ich marschiere zu meinem eigenen Rhythmus», sagte er. «Ich arbeite nicht für eine Partei, sondern für Sie.»
Die Republikaner präsentierten sich auf dem viertägigen Konvent denn auch wie eine Partei, die Distanz zu sich selbst suchte. McCain erwähnte den Namen George W. Bush kein einziges Mal.
In seiner Rede schnitt der Kandidat viele Themen an. Die Wirtschaftsflaute, laut Umfragen das wichtigste Thema der Wähler, erwähnte er aber nur kurz. Wie genau er sich als Präsident von Bush unterscheiden würde, führte er nicht aus.
Applaus für Vietnam-Erinnerungen
McCains machtvollstes Argument für seine Person war auch an diesem Abend möglicherweise die Erinnerung an seine fünfjährige Kriegsgefangenschaft in Vietnam. «Ich habe mein Land lieben gelernt, als ich in einem anderen gefangen war» sagte er.
Die Geschichte ist hinlänglich bekannt, doch hat sie immer noch das Potenzial, stehene Ovationen hervorzurufen. Mit einem Schlachtruf verabschiedete sich der alte Krieger von seinem Parteitag: «Steht auf und kämpft mit mir!» Die Delegierten bedankten sich mit dem lautesten Beifall des Abends.
Peter Wütherich (Quelle: afp)
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