Donnerstag, 4. September 2008 / 11:26:47
Pitbull mit Lippenstift
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Die Auswahl seines «Running Mate» überraschte alle. Als John McCain die alaskische Gouverneurin Sarah Palin als die Vizepräsidentin seiner Wahl vorstellte, waren alle erstaunt. Sarah wer? Doch schon in kürzester Zeit war dieses dunkle Pferd in der Nacht in grelles Scheinwerferlicht getaucht und sogar die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter wurde zu einem grossen Thema – eine Angelegenheit, die eigentlich Privatsache wäre, wäre sie nicht exemplarisch für die Politik, die Palin betreibt, wenn es um Sexualaufklärung in Schulen geht.
Doch der Reihe nach. Sarah Palin darf nicht unterschätzt werden. Sie trat vor zwei Jahren als Bürgermeisterin gegen den Parteikollegen und Amtsinhaber Frank Murkowski an und schlug diesen, der in diverse Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft verstrickt war (vor allem, nachdem er seine Tochter als Ersatz für ihn in den Senat geschickt hatte, nachdem er selbst 2002 als Gouverneur gewählt worden war) in den parteiinternen Vorwahlen um den Gouverneursposten.
Zuvor schon hatte Palin als Bürgermeisterin der Gemeinde Wasilia auf sich aufmerksam gemacht, wo sie in dem an sich parteilosen Posten mit republikanischer Unterstützung ganz klar republikanische Politik machte. Schon damals fiel sie durch eine Linie, die mit «my way or the highway» bezeichnet werden könnte, auf. Leute, die nicht voll auf ihrer Linie waren, wurden gefeuert. Andererseits hatte sie Erfolge mit Steuersenkungen, Lohnreduktionen – ihren eigenen mit eingeschlossen – und dem erfolgreichen Lobbying um Staatsgelder für ihre Gemeinde.
Der erfolgreiche Populismus ihrer Bürgermeisterjahre zeichnet auch ihre Amtszeit als Governeurin aus. Als sich zum Beispiel abzeichnete, dass die in den USA berüchtigte «Brücke nach Nirgendwo», eine Brücke, die eine Fährverbindung zu einem Flughafen ersetzen sollte und bei geschätzten 1000 Fahrten pro Tag mehr als der Neubau einer Golden-Gate-Brücke gekostet hätte, keine Bundesfinanzierung mehr bekommen würde, wandte sie sich von diesem Projekt ab und wandelte sich von der Unterstützerin zur Gegnerin der Brücke... was sie zum ersten Mal auch in den Dunstkreis von John McCain, einem der Anführer der Brückengegner, brachte.
Doch in Alaska ist sie weiterhin sehr populär: Sondersteuern für Ölfirmen, ein aus dem momentanen Ölpreishoch resultierender Budgetüberschuss und Schecks für die Bevölkerung aus diesen Einnahmen (1200.-- US$ für jeden Bewohner Alaskas), lassen ihre Beliebtheit in der Bevölkerung ungebrochen sein.
Wenn es um das Durchsetzen ihrer Ziele geht, hat Palin keine Skrupel, auch schon mal gegen die eigene Partei zu handeln und für eine bestimmte Sache mit Demokraten zusammen zu spannen.
Doch bei vielen Themen ist Sarah Palin der Darling der Rechts-Konservativen: Sei es beim Umweltschutz (weg damit!), Feuerwaffen (her damit!), Abtreibungen (pfui!), Irak-Krieg (toll!), Religion (jajajajaaa!) oder Sexualaufklärung an Schulen (igitt!). Vom Religiösen her überschreiten ihre Äusserungen mitunter die Grenze des Absurden, wenn Sie zum Beispiel meint, dass der Bau einer Erdgas-Pipeline Gottes Wille sei oder der Irak-Krieg nach dem Plan des Allmächtigen ablaufe.
Und wenn Sie jetzt auch das Ganze weglächeln und schönreden will: Die Schwangerschaft ihrer Tochter – die im Gegensatz zu vielen anderen schwangeren US-Teenagern in einer finanziell komfortablen Lage ist – kann als direktes Resultat der abseitigen Sexual-Aufklärungs-Politik ihrer Mutter und der konservativen Christen gesehen werden, die immer noch behaupten (trotz klarer Statistiken, die das Gegenteil beweisen), dass Keuschheitsschwüre Teenager von Sex abhalten.
Es hiess, dass die nächste Präsidentschaftwahl ein Kampf um die Wähler der Mitte sein würde. Sarah Palin, die von sich selbst meinte, dass sie sich als sogenannte Hockey-Mom von einem Pitbull nur durch den Lippenstift unterscheide, wird bei diesen nur schwerlich punkten und die drei Wahlmännerstimmen von Alaska machen das Konto von McCain auch nicht fett (vor allem, weil diese sowieso fest in republikanischer Hand sind).
Dies wäre vielleicht nicht allzu schlimm, wenn sich McCain nicht von der Bush-Alternative, die er einmal war, zum Bush-Krieger gewandelt hätte und er selbst plötzlich wie ein neo-konservativer Falke auftreten würde.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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Brücke nach Nirgendwo
Wikipedia-Artikel über die berüchtigte Brücke nach nirgendwo.
Wissenswertes zu Alaska
Deutscher Wikipedia-Artikel über Alaska
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