Sonntag, 6. Juli 2008 / 22:45:07
Invasion der Sicherheitskräfte im idyllischen Kurort
Toyako - Abgeschieden inmitten hoher Berge auf der nordjapanischen Insel Hokkaido ist der Kurort Toyako sonst eine Oase der Ruhe. Doch wegen des G-8-Gipfels ab Montag ist es derzeit vorbei mit der Idylle.
Einer wahren Invasion von Sicherheitskräften sehen sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Toyako dieser Tage ausgesetzt. Die meisten wünschen sich schon jetzt, dass der Spuk wieder vorbei sein möge.
21'000 Polizisten riegelten die Gegend rund um den Gipfelort ab. Mit Strassensperren, Patrouillen und Kontrollen soll die Sicherheit nicht zuletzt wegen der angekündigten Anti-G-8-Proteste gewährleistet werden.
Luxushotel wird zur Festung
Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsstaaten der Welt werden im luxuriösen «Windsor Hotel Toya» untergebracht, das in eine Hochsicherheitsbastion umgewandelt wurde.
Das imposante weisse Gebäude mit den grossen Panoramascheiben hat bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. 1993 wurde das Hotel, dessen Baukosten sich auf 65 Milliarden Yen (624 Millionen Franken) belaufen sollen, am Vulkansee Toya eingeweiht.
Schon damals beäugte die Nachbarschaft das trapezförmige Etablissement, das nicht so recht in die imposante Naturkulisse passen wollte, mit Misstrauen. Schnell bekam es den Spitznamen «Bubble-Turm», in Anlehnung an die Spekulationsblase Ende der 80er Jahre in Japan.
Eigentümer pleite
Um ein Haar wäre das Hotel selbst Opfer des Immobilienbooms geworden, als die Blase platzte. 1998 musste es von einem Tag auf den anderen schliessen, weil der Eigentümer pleite war. Seine Bank, die Hokkaido Takushoku Bank, meldete als erstes grosses Finanzinstitut des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg Konkurs an.
Zwei Jahre später - Japan war Gastgeber des G-8-Gipfels von Okinawa - brach der Vulkan auf dem benachbarten Berg Usu aus. Auf das Dach des Hotels rieselte Asche, doch das Gebäude überstand auch dies.
Noch im selben Jahr kam die Kehrtwende: Ein Unternehmen für Sicherheitsausrüstung kaufte das Etablissement zu einem äusserst günstigen Preis und liess es komplett renovieren. Im Juni 2002 konnte das «Windsor Hotel Toya Resort and Spa» in neuer Pracht eröffnen.
Kostspielige Präsidentensuite
Rund 400 Zimmer im westlichen oder japanischen Stil warten nun auf Gäste, die sich die stattlichen Preise leisten können. Das einfachste Zimmer kostet in der Nebensaison 346 Franken. 24 Stunden in der «grossen Präsidentensuite» mit Blick auf den See und den Pazifik werden mit mehr als 12'800 Franken berechnet.
Zu den elf Restaurants zählt auch ein Ableger des mit drei Michelin-Sternen gekrönten Franzosen Michel Bras. Das streng abgeriegelte Hotel ist derzeit aber nicht einmal aus der Luft zu betrachten: Japan verfügte ein Überflugverbot in der Gegend.
Die Demonstranten kamen bisher noch nicht einmal in die Nähe des Gipfelortes. Daher protestierten die G-8-Gegner in den vergangenen Tagen in der 150 Kilometer entfernt gelegenen Stadt Sapporo.
smw (Quelle: sda)
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