Mittwoch, 2. Februar 2005 / 16:00:00
'Das Märchen vom rechtsfreien Internet ist vorbei'
Darf man nun Musik für den Eigengebrauch kopieren oder nicht? Wie werden Raubkopierer in der Schweiz gejagt? Und werden die Musiker überleben? Im Interview mit news.ch erklärt Rechtsanwalt Peter Vosseler was erlaubt ist und was nicht.
Im Umgang mit Musikdownloads scheint es rechtlich noch viele Grauzonen zu geben. Wo machen Sie genau den Unterschied zwischen legal und illegal?
Peter Vosseler: "Der Upload von Musikdateien ins Internet ist grundsätzlich rechtswidrig und strafbar – hierüber besteht Einigkeit. Unverständlich ist, dass einige nicht müde werden, zu behaupten, der Download einer auf diese Weise ins Internet gelangten Musikdatei sei unter dem Feigenblatt der Privatkopie 'für private Zwecke' zulässig."
Wann genau gilt denn eine Kopie als 'Privatkopie'?
"Eine Privatkopie setzt immer voraus, dass sie zum persönlichen Gebrauch im Kreis von unter sich eng verbundenen Personen erfolgt. Die Vertreter einer anderen Meinung scheinen vorauszusetzen, dass beispielsweise 'Tauschbörsen-Nutzer' das Kriterium des engen Freundes- und Familienkreises erfüllen, also eine persönliche Beziehung zueinander hätten."
Was zählt man denn noch zum Freundeskreis?"
"Die Personen müssen sich gut kennen und sich nicht nur zufällig versammelt haben. Auch die Anzahl der Personen, welche dem Kreis angehören, muss eng begrenzt sein. So entschied das Obergericht Zürich, dass ein Klub mit 50 Mitgliedern, die sich jeweils zum Anhören von Schallplatten trafen, kein privater Kreis sei, da die Mitgliedschaft für Personen verschiedenster Herkunft offen stand und auch Nichtmitglieder mitgebracht werden durften."
Wie unterscheiden sich Uploader und Downloader rechtlich?
"Das System der 'Tauschbörsen' lebt zwingend von illegalen Uploads. Denn ohne Uploads gibt es keine Downloads! Schon unser gesunder Menschenverstand sollte uns erkennen lassen, dass damit das gesamte 'Tauschbörsen-Phänomen' rechtswidrig ist. Was bei unautorisiert ins Internet gestellten Musikdateien einzig wirklich umstritten ist, ist die Frage, ob das Herunterladen strafbar ist. Rechtswidrig und damit Schadensersatzansprüche auslösend ist es allemal."
Zurzeit befindet sich das Schweizer Urheberrecht (URG) in Revision. Was wird sich ändern?
"Die hier zur Diskussion stehenden Handlungen sind auch nach dem URG in seiner heute geltenden, Form unrechtmässig. Dennoch bedarf es einer zügigen Realisierung der laufenden Revision, in der der Schutz der Umgehung vor Schutzmassnahmen (Kopierschutz) verankert werden muss, wie dies in der EU bereits der Fall ist. Man muss sich hierbei bewusst machen, dass dies keiner Abschaffung der Privatkopie gleichkommt. Unterbunden werden soll nur das Identkopieren, also die absolut qualitätsgleiche Digitalkopie (z.B. auf CD-R). Das Analogkopieren (z.B. über den Audioausgang jeder Stereoanlage) ist davon nicht betroffen."
Was wird sich für die Künstler verändern?
" Die aktuelle URG-Revisionsvorlage enthält diesbezüglich gravierende Mängel. Statt einer Stärkung der Tonträgerproduzenten und der ohnehin schon arg gebeutelten Künstlern sieht der Revisionsentwurf heute eine Schwächung ihrer Rechtsstellung vor. Es bleibt zu hoffen, dass die Schweiz sich nicht auf diesem Wege ins Abseits manövriert und so erneut, wie schon vor Jahrzehnten zur Pirateninsel in Europa wird."
Wie geht die IFPI gegen Nutzer illegaler Plattformen in der Schweiz vor?
"Schwerpunktmässig gehen wir gegen Anbieter vor, nicht gegen Downloader. Wir haben dabei sogenannte Heavy-User im Visier, also jene, die zu hunderten oder gar tausenden Uploads tätigen. Diese Personen erhalten keine Warnungen, sondern sehen sich direkt mit straf- und zivilrechtlichen Schritten konfrontiert."
Die Provider müssen aber nach wie vor keine User-Daten herausgeben.
"Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, man sei geschützt, weil die Provider keine Kundendaten herausgeben dürfen. Selbstverständlich sind Provider verpflichtet, diese herauszugeben, wenn die Ermittlungsbehörden sie dazu auffordern."
"Gibt uns ein Provider die entsprechenden Informationen nicht freiwillig, bitten wir ihn, eine von uns verfasste Unterlassungserklärung an seinen Kunden weiterzusenden. In unserem Begleitschreiben bitten wir diesen, sich bei uns zu melden, ansonsten wir Strafanzeige erstatten. Wir versichern Ihnen, dass es kaum jemanden gibt, der sich daraufhin nicht bei uns meldet."
Die legalen Musikplattformen sind auf dem Vormarsch. Musikfans haben 2004 zehnmal mehr Songs legal erworben als 2003. Rettet das schlechte Gewissen der Benutzer die Industrie?
"In der Tat stellt sich ein sehr erfreulicher Bewusstseinswandel ein. Dies ist der Erfolg unserer jahrelangen Aufklärung und Information, aber auch wegen unserem rechtlichen Vorgehen. Der überwiegende Teil aller Nutzer hat schon immer zumindest geahnt, dass das Up- und Downloaden nicht rechtmässig sein kann, denn seit wann ist es möglich, Ware legal und gratis in unbegrenzten Massen zu erhalten, von der jeder weiss, dass es sich um zu bezahlende Verkaufsware handelt? Ausserdem wissen alle, dass das Märchen vom Internet als rechtsfreier Raum schon lange ausgedient hat."
Dr. Peter Vosseler ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der IFPI Schweiz, Schweizer Landesgruppe der International Federation of Producers of Phonograms and Videograms. Die Organisation kümmert sich um die Rechte und Interessen der Produzenten und Hersteller von Tonträgern.
Zurzeit betreibt die IFPI organisierte Bekämpfung der internationalen Tonträger- und Tonbildträgerpiraterie.
mo (Quelle: news.ch)
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IFPI Schweiz
Auskünfte zu Fragen, was im Internet erlaubt ist.
Online Piracy (englische Site)
Informationen zur Problematik illegaler Downloads vom Verband der Musikindustrie in den USA.
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