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Freitag, 24. September 2010 / 11:56:23

Existenzminimum: Leben mit 400 Euro

In Deutschland spielt sich soeben eine hoch-philosophische Debatte ab, die sich in den Mantel einer Sozialhilfe-Kontroverse gehüllt hat. Die sogenannten «Hartz-IV»-Sätze, die kombinierte Sozialhilfe und Arbeitslosenversicherung in Deutschland, müssen neu berechnet werden, da sie zum Überleben zu tief angesetzt worden seien.

Es heisst, dass der Satz von Momentan € 359.--/Person auf über € 400.-- steigen werde, wenn alle Grundbedürfnisse berücksichtigt werden sollen.

Nun ist der deutsche Staat ziemlich klamm und alles über der 400er-Grenze gilt als Tabu. Es wird daher nach Dingen gesucht, die wieder aus dem Mindestsatz gestrichen werden und so die Summe zurück unter diese Schallmauer bringen könnten. Speziell fiel da manchen der Posten Genussmittel auf, der «Alkohol, Tabak und Schnittblumen» beinhaltet.

Und natürlich darf und wird scheinbar berechtigt gefragt, warum der Staat für die Dekoration und den Suff von Arbeitslosen aufkommen soll. Doch man darf sich bei einem Regelsatz von €4.28.--/Tag, in dem auch die Nahrung und andere Getränke eingeschlossen sind, getrost fragen, ob ein erfülltes Suchtleben damit möglich ist.

Doch die Diskussion ist losgetreten und jeder, der sich in dieses Minenfeld der Emotionen begibt, kann  damit rechnen, nicht ohne Schrammen wieder heraus zu kommen. Und trotzdem tummeln sich sehr viele darin und trampeln fröhlich auf den Sprengsätzen herum.

Diese Debatte bringt denn – auch in der Schweiz – so schöne Worte wie Sozialhilfe-Schmarotzer und Scheinarbeitslose hervor. Und der Betrug in diesen Bereichen ist ein grosses Problem, das nur allzugerne unter den Teppich gewischt wird, weil es einerseits ideologische Wunschbilder zerstört (das Proletariat ist immer ehrlich) und auch die Kompetenz der Departementschefs schlecht aussehen lässt und deshalb vielfach nicht hart genug bekämpft wird. Doch es fliessen hier Probleme an den Rändern ineinander, die eigentlich weit auseinander liegende Kerne haben.

So haben Mindestsätze nur beschränkt etwas mit denen zu tun, die bewusst betrügen. Natürlich ziehen sogar relativ tiefe Sätze Menschen an, die mit sehr wenig auskommen und denen es nichts ausmacht, in einer dreckigen Wohnung rum zu hängen und nur Junk zu essen. Doch es sind nicht jene, um die es hier gehen soll.

Es geht um Leute, die Jahrzehnte lang gearbeitet haben und weg rationalisiert werden, den 57-jährigen Facharbeiter, der im (absurderweise) in manchen Firmen immer noch grassierenden Jugendwahn entsorgt wurde, es geht um die Opfer wirtschaftlicher Ränkespiele, die danach einfach keinen Platz mehr finden, so sehr sie sich auch bemühen. Es geht um jene, die sich schämen, nicht mehr dazu zu gehören.

Wenn man dies akzeptiert hat, stellt sich die nächste Frage: Was für ein Leben soll ein solcher Mensch führen, wenn erst mal seine Ersparnisse aufgebraucht sind? Sicher, in der Schweiz findet die Debatte auf einem (finanziell) um einiges höheren Niveau statt, aber sie scheint im Moment genau so wenig zielführend sein, wie in Deutschland. Das Gezanke ist jedenfalls genau so schlimm.

Vielleicht liegt das Problem ja im in unserer Gesellschaft völlig fragmentierten Menschenbild: Auf der einen Seite die biologische Maschine, die so billig wie möglich in den Produktionsablauf eingespiesen werden soll, auf der anderen Seite die rosa-roten Wolkenkuckucksvorstellung, dass nur der rundumversorgte Mensch auch ein glücklicher Mensch sein kann. Und dazwischen der Staat, in dem diese widerstrebenden Menschenbilder aufeinander treffen.

Psychologen wissen, dass ein gewisser Anpassungsdruck Menschen antreibt, über sich hinaus zu wachsen. Doch sie wissen genau so, dass ein aus der Gemeinschaft ausgestossener Mensch verloren ist, dass Perspektivlosigkeit und ein Gefühl der Verlassenheit zu asozialem und depressivem Verhalten führt.

Vom Staat zu verlangen, diese schwierige Balance aus Respekt und Druck, aus Sicherheit und Forderung zu finden, mag mehr sein, als erwartet werden kann. Doch dies wäre es, was eine menschliche von einer unmenschlichen Gesellschaft unterscheidet. Dies wäre, was jenen eine Chance gibt, die nach einem tiefen Fall von der gesellschaftlichen Leiter erst mal wieder auf die Beine kommen müssen, um diese Leiter wieder hinauf klettern zu können, so dass sie das Leben am Rand der Gesellschaft hinter sich lassen können.

von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)

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