Dienstag, 12. Januar 2010 / 14:07:49
Zürich: Fachbibliothek über Verdingkindern öffentlich
Zürich - Das Schweizerische Sozialarchiv in Zürich führt neu eine Fachbibliothek über Verdingkinder. Die Dokumentation macht ein beklemmendes Stück Schweizer Sozialgeschichte öffentlich und soll vor dem Vergessen bewahren.
Hunderttausende von Kindern aus armen Verhältnissen seien bis Mitte der 1960er Jahre an Pflegefamilien verdingt, in Anstalten versorgt, ausgebeutet, geschlagen und geknechtet worden, sagte der Basler Soziologe Ueli Mäder in Zürich vor den Medien. Der Umgang mit diesen Kindern müsse als Verbrechen bezeichnet werden.
Mäder ist zusammen mit den Historikern Marco Leuenberger und Loretta Seglias an einer Studie der Universität Basel beteiligt, in deren Rahmen die Geschichte der Verdingkinder aufgearbeitet wird. Den 280 Interviews mit ehemaligen Verdingkindern aus der ersten Phase folge nun eine wissenschaftliche Auswertung, sagte Mäder.
Die Aufzeichnungen und Erinnerungen von Betroffenen seien wichtige Quellen, um Einblick in eine verdrängte Geschichte zu erhalten, hielt der Professor für Soziologie an der Uni Basel fest.
Forschung steckt noch in den Anfängen
Die Forschung über das Verdingwesen in der Schweiz stecke noch in den Anfängen, betonte Walter Zwahlen, Co-Präsident des Vereins netzwerk-verdingt, der 2008 gegründeten Interessengemeinschaft von Betroffenen. Politik und Gesellschaft hätten sich bis vor wenigen Jahren kaum für das düstere Kapitel interessiert.
Einzelne Schriftsteller wie Jeremias Gotthelf, Carl Albert Loosli oder Arthur Honegger sowie der Journalist Peter Surava hätten zwar mit ihren Werken immer wieder auf die Missstände der Verdingkinder aufmerksam gemacht. Sie seien damit aber in der Minderheit geblieben.
Wichtiges Werk
Als wichtiges Werk bezeichnete Zwahlen die in den 1990er Jahren publizierte Autobiographie «Le tour de suisse en cage» von Louisette Buchard-Molteni.
zel (Quelle: sda)
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