Dienstag, 1. Dezember 2009 / 07:33:14
Minarett-Verbot: Die Schweiz ein Vorbild?
Das Schweizer Ja zum Minarett-Verbot hat die europäischen Politiker-Gemüter erregt. Und dennoch: Dürften die europäischen Nachbarn selber entscheiden, würden sie wohl auch Minarette in ihren Ländern verbieten.
Es wurde am gestrigen Montag erwartungsgemäss das grosse Spiessrutenlaufen der Schweiz in den ausländischen Medien: «Frust-Votum», «Katastrophe», «Engstirnigkeit» oder wie Frankreichs Aussenminister Bernard Kouchner erklärte: «Ausdruck von Intoleranz».
Ob Aussenministerin Michelle Calmy-Rey oder Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf: Bundesräte mussten gestern ihren ausländischen Kollegen viel erklären, vor allem, was es mit der direkten Demokratie auf sich hat.
Nein zu Minaretten
Schaut man sich nämlich die direktdemokratischen Elemente der Schweizer Nachbarn - genannt Online-Umfragen - in den europäischen Online-Medien einmal an, dann bekommt die Schweiz mehr Applaus, als es den jeweiligen Regierungen lieb sein kann.
83 Prozent (79'024 Abstimmungen) der Leser von «Bild.de» geben den Schweizern recht: «Religionsfreiheit ja, aber Minarette gehören nicht ins Bild eines westeuropäischen Landes.» 69% meinen auf der Webseite der «Financial Times Deutschland», dass die Schweiz eine «souveräne» Entscheidung getroffen habe. Auch Leser anderer europäischer Medien stimmen der Schweiz in ihrer Entscheidung mehrheitlich zu.
Politik und ihr Volk
Während sich also die Mehrheit der Classe politique über das Schweizer Abstimmungsergebnis erregt und die europäische Rechte in Italien, Frankreich oder Dänemark jubelt, denken die Bürgerinnen und Bürger anders darüber. Hat die Politik da etwas verschlafen? Ist sie nicht mehr auf der Höhe derer, die sie eigentlich vertreten soll?
Auch die Leser auf news.ch haben sich kritisch mit dem Abstimmungsergebnis auseinandergesetzt: «Tja, die sollten einfach den Volksentscheid akzeptieren, denn die Mehrheit hat gesprochen. Im Übrigen würde ich mir, wenn ich Moslem wäre, vielleicht mal Gedanken darüber machen, was schief gelaufen ist und zuerst einmal vor der eigenen Haustüre (Thema Unterdrückung der Frauen, Steinigung etc.) kehren», schreibt etwa ein Forumsteilnehmer namens Olaf12.
«Vor der eigenen Türe kehren»
Ein anderer mit Namen BigBrother ergänzt: «Ich persönlich habe Nein gestimmt. Was aber mit dem Anschlag auf das SVP-Sekretariat geschehen ist, spricht nicht für die gute Gesinnung der Gegner dieser Initiative.» Ein(e) Teilnehmer(in) namens gwaeggi dagegen schreibt: «Ein derartiges Verbot ist eine Dialogverhinderung und birgt meines Erachtens die Gefahr, dass nun vermehrt radikale Muslims versteckt ihre Lehren verbreiten.»
Und was die europäischen Fingerzeige auf die Schweiz betrifft, schreibt ein Forumsteilnehmer namens Franz: «Sorry, ich als Schweizer finde das aber gar nicht toll, wie die europäischen Politiker die Politik ohne das Volk machen! Eine Volksinitiative in allen Länder von Europa über dieses Thema würde die wahre Wahrheit über ein Land zeigen wie das Volk entscheiden würde und auch somit was der Souverän möchte.»
Gespaltene Meinungen bei Twitter
Und auch auf der Micro-Blogging-Seite Twitter ist das Schweizer Ja ein Thema. «Alle Türme sind gleich. Aber manche sind gleicher», schreibt ein User mit den Namen computerbilly. Auch Phaxwe kann das Votum nicht nachvollziehen: «Bisher war mir die Schweiz immer sehr sympathisch! Wieso nur so eine Entscheidung?» FraukeWatson ist ebenfalls enttäuscht: «Wieder 'ne Niederlage der Menschlichkeit und Toleranz. Ob wir's denn mal lernen?»
Ein User namens TheBenne ist anderer Meinung: «Ich muss sagen: Hut ab vor der Schweiz. Wieder einmal wünsche ich mir, Schweizer zu sein.» Und auch ToralfGrau findet den Entscheid der Schweiz richtig: «Danke Schweiz!»
Es gibt aber auch Äusserungen, die nachdenklich stimmen. Zum Beispiel schreibt mlooks: «anstatt über die Schweiz zu meckern, sollte man in Deutschland probieren es besser zu machen.»
Auch ein User namens DominikFaust kommt zu dem Schluss: «Glaubt nicht, dass ein Minarett-Entscheid in anderen westlichen Ländern anders ausgefallen wäre als in der Schweiz.»
Tino Richter (Quelle: news.ch)
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