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Mittwoch, 4. Februar 2009 / 20:13:05

Unser Tor des Monats: Benedikt XVI

Eins muss man dem Pontifex mit den schwarz unterlaufenen Äuglein lassen: Der Mann hat ein Hammer-Timing. Echt jetzt. Stahlstarke Punktlandung.

Eins muss man dem Pontifex mit den schwarz unterlaufenen Äuglein lassen: Der Mann hat ein Hammer-Timing. Echt jetzt. Stahlstarke Punktlandung.

Genau im Moment, wo der acht Jahre lang unbestrittene Bölimaa der globalen Bessermenschen-Kaste in sein texanisches Altersasyl abgezottelt ist und uns allen ein gefährliches Antipathie-Vakuum zu hinterlassen drohte! Zack – da springt der wackere Josef aus Marktl am Inn mutig in die Bresche! Rehabilitiert mal eben einen Holocaust-Leugner und weitere Retro-Freaks, die die Kugelform der Erde abstreiten.

Und weil der sechzehnte Benedikt weiss, dass ein loderndes Feuer stets unterhalten werden will, gab er letzte Woche den Österreichern noch einen Weihbischof, der den Hurrikan Katrina sowie den Tsunami vom 26. Dezember 2004 als notwendige göttliche Strafe deutet. Toll.

Schon sind wir gespannt, welche unverdaulichen Brocken der reaktionäre Beni für urbi und orbi noch bereit hält. Verbot der befleckten Empfängnis für alle christlichen Frauen? Adolf als Schutzpatron der deutschen Autobahnen?

– Schnitt. –

Wir stecken mitten in einem Darwin-Gedenkjahr. Darwin ist einer der Männer, die der Kirche kolossal ins Handwerk gepfuscht haben. Vielleicht mehr als alle anderen. Seine Evolutionstheorie machte mit der sechstägigen Schöpfungsgeschichte kurzen Prozess. Der Mensch steht auf der gleichen Stufe wie alle anderen Lebensformen und ist, wenn auch mit aus eigener Sicht bemerkenswerten Fähigkeiten ausgestattet, nur das Produkt jahrmillionenlanger Entwicklung und optimaler Anpassung an die Umwelt. Gott war dazu nicht nötig. Darwin machte Gott arbeitslos und überflüssig, es sei denn, man wolle ihm noch den Urknall und das Definieren der kosmischen Grundgesetze lassen, womit diese Dinge aber nicht wirklich erklärt sind, sondern nur neue Fragen auftauchen: Wer erschuf eigentlich Gott?

Allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahrhunderte zum Trotz haben Gott und Religionen aber noch immer einen festen Platz in unserem Leben. Der Darwinismus postuliert, dass sich in der Welt grundsätzlich nichts herausbildet und durchsetzt, was nicht in irgendeiner Form einen nutzbringenden Vorteil aufweist. Richard Dawkins, der vielleicht wichtigste lebende Jünger Darwins, in der ‹Weltwoche› eben unter den 50 mächtigsten Personen der Welt gelistet, hat bereits in den 70er-Jahren vermutet, dass die Gesetze der Evolution nicht nur für Gene, sondern auch für Überleben und Weiterverbreitung von kulturellen Informationen, sogenannten «Memen», gelten. Sprich: Es gab und gibt Religionen überhaupt nur, weil sie für das Überleben der Spezies Mensch sinnvoll sind.

Der Glaube an Gott und die bedingungslose Identifikation mit einer Religion bilden also einen entscheidenden Selektionsvorteil. Und sei es nur, weil das menschliche Gehirn mit dem Glauben ans Auserwähltsein und an eine unergründliche höhere Macht die quälenden Fragen, die das sich immer höher entwickelnde Denkorgan zu stellen begann, etwa nach dem Ich oder nach dem Warum unbegreiflicher Vorgänge, am besten bewältigen konnte.

Religionen gehören zu den ältesten und kompliziertesten «Mem»-Komplexen überhaupt. Sie haben sich über Jahrhunderte entwickelt, verändert, angereichert. Und klar – überlebt haben nur jene, die sich erfolgreich gegen andere behauptet haben, und dazu gehören, wie in der Welt der Gene, teils aggressive Strategien der Weiterverbreitung. Sämtliche Weltreligionen sind Mem-Komplexe, die sich über Jahrhunderte bewährt haben und sich, wie ein erfolgreicher Organismus, auch immer wieder an neue Umgebungsbedingungen angepasst haben. Wobei Anpassung nicht ganz präzise ist: Es setzten sich von den Mutationen, die innerhalb des Mem-Komplexes entstehen, jene durch, die den neusten Umständen am besten gerecht werden. Was sich wann, wo und wie stark verändern kann, folgt aber bei Genen wie Memen gewissen Regeln. Uns wachsen auch nicht plötzlich Räder, nur weil wir geteerte Strassen haben. Entsprechend hat auch die Wandlungsfähigkeit von Religionen Grenzen.

Die Hauptingredienzen des Zeitgeists, den wir atmen, sind der materielle Wohlstand der Nachkriegsgeneration, der individualistische Wertepluralismus der Achtundsechziger, die auf demokratischer Grundüberzeugung abgestützte Sehnsucht nach Gleichheit aller Rassen, Geschlechter und Chancen. Unser Zeitgeist ist eine Mixtur, die nicht älter als vierzig Jahre ist. Ein Mem-Komplex, dessen Überlebensfähigkeit noch alles andere als bewiesen ist. Für die 2000 Jahre alte katholische Kirche sind die Forderungen, die der Zeitgeist an sie richtet, als würde eine Eintagsfliege einen Riesenmammutbaum auffordern, sich Flügel wachsen zu lassen. Die Eintagsfliege und der Mammutbaum gehören biologisch völlig unterschiedlichen Klassen an, Bäumen können aus genetischen Gründen keine Flügel wachsen.

Was niemand wahrhaben will: Auch einer Religion können aus «memetischen» Gründen keine Flügel wachsen. Ihr «memetischer Code» ist in vielem mit unserem Zeitgeist nicht vereinbar. Eine Religion, für die der universale Alleingültigkeits-Anspruch verhandelbar wird, hat im Prinzip schon verloren. Genauso verloren hat ein Glaube, der sich auf die gleichnishafte, metaphorische Deutung seiner Schriften verlegen oder herausreden muss, obwohl die Aussagen ursprünglich selbstverständlich wörtlich gemeint waren. Zentrale Glaubensinhalte – und davon gibt es im Katholizismus wahrlich besonders abstrakte (Dawkins würde sagen: absurde) wie Dreifaltigkeit, Unbefleckte Empfängnis, Transsubstantiation – sind weder naturwissenschaftlich noch demokratisch diskutierbar.

Eine Religion, die nicht die einzige Richtige sein will, universal in allen Dingen und Fragen des Daseins? Wer glaubt, sowas sei möglich, hat das prinzipielle Konzept von Religion nicht begriffen: Religion ist grundsätzlich ein archaisches Konzept, das unsere bedingungslose Gefolgschaft verlangt, total und auch: irrational. Oder soll man vielleicht darüber demokratisch abstimmen können, ob Jesus tatsächlich übers Wasser wandelte, Mohammed die reine Botschaft Gottes niederschrieb und Moses das Meer teilte? Einzig zum (Aus-)Leben unserer sogenannt christlichen Grundwerte brauchen wir weder den Vatikan, noch den Glauben an den auferstandenen Jesus und den allmächtigen Gott, noch überhaupt eine Religion – wir können die christlichen Grundwerte auch säkularisiert als moralisch sinnvolle gesellschaftliche Konvention handhaben. Was bezwecken also jene, die ständig nach Reformen in der Kirche verlangen?

Würde Benedikt sämtlichen Reformbegehren, Anachronismen und Widersprüchen seiner Hauslehre nachgehen und nachgeben – mal ehrlich: Was wäre denn am Ende überhaupt noch übrig? Gewinnt man damit wirklich die verlorenen Gläubigen zurück, die sich trotz Lippenbekenntnis zum Christentum ohnehin kaum mehr an die simpelsten Glaubensregeln halten? Beschwichtigt man so jene Kritiker, die lauthals den Realitätsverlust der Kirche beklagen, die aber selbst null Bereitschaft zeigen, die Realität dieser Kirche zu akzeptieren: ihre Tradition, ihr Selbstverständnis, ihre Theologie und Organisation, und eben auch ihre Mechanismen, sich zu verändern.

Hätte Benedikt XVI Bischof Williamson rehabilitieren als Auszeichnung dafür, dass dieser Mann den Holocaust geleugnet hat, wäre das tatsächlich ein handfester, ja abscheulicher Skandal. Doch hat Benedikt das getan? Nein, hat er nicht. Er hat ihn und andere ultrakonservative Katholiken, die vor Jahren exkommuniziert wurden – also aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen – wieder zurück in die Gemeinschaft geholt, um kirchenrechtlich überhaupt wieder «legal» mit ihnen in Dialog treten zu können. Nicht mehr. Nicht weniger. Die Glaubensbrüder sind nicht wieder als Bischöfe eingesetzt worden, sondern nur wieder als Katholiken aufgenommen – sie haben kirchlich gesehen ihren Rechtsstatus wieder. Man könnte das vergleichen mit der «Legalisierung» der Guantanamo-Häftlinge, die nun nach der Rechtsordnung der USA abgeurteilt werden sollen, nachdem Präsident Bush sie jahrelang als ausserhalb aller gültigen Verfassungen und Gesetzte stehend verortet hatte. Der skandalisierte Vorgang im Vatikan ist also primär eine innerkirchliche Angelegenheit.

Der Vatikan beschäftigt sich gerne und ausgiebig mit innerkirchlichen Angelegenheiten. Und wird dabei gerne und ausgiebig missverstanden. Das zeigt sich nur schon beim vielleicht berühmtesten der vermeintlichen Realitätsverlust-Beweise, dem Infallibilitätsdogma. Gerne wird die «päpstliche Unfehlbarkeit» herumgereicht als Beleg kirchlicher Verblendung, gerne wird auch hier der innerkirchliche Geltungsbereich ignoriert: «Der Papst irrt nicht in katholischen Glaubensdingen» heisst nicht, dass der Papst nach Lust und Laune Dinge wie 1 + 1 = 3 dekretieren kann, sondern eben nur, dass er in seinem Laden am liebsten selbst sagt, was Sache ist. Genau so, wie das übrigens auch immer noch eine Vielzahl von Staatsoberhäuptern («L'état, c'est moi») tut, von Unternehmensführern ganz zu schweigen («Le patron, c'est moi»). Nur, da stört es offenbar weniger.

Zwischen dem Ausmass des gegenwärtigen Skandals und dem kirchlichen Selbstverständnis (und auch Unverständnis) liegen derzeit unüberwindliche Welten. Obwohl die Rehabilitierung von Bischof Williamson nach innerkirchlichen Kriterien erfolgt ist, die mit dem zeitgleich bekannt gewordenen, unhaltbaren Geschichtsbild des Mannes nichts zu tun haben, soll die Kirche nun Williamson wieder ausschliessen und sich mit Nachdruck von der Leugnung des Holocausts distanzieren. Gewiss, die Rehabilitierung und das Bekanntwerden von Williamsons Holocaust-Leugnung überlagern sich zeitlich äusserst ungünstig. Die skandalisierende Auslegung der Ereignisse, wonach sich der Vatikan damit gewissermassen selbst in die Reihe der Holocaust-Leugner gestellt hat, ist die böswillige Interpretation exakt jener, die lauthals nach Entschuldigung rufen.

Antisemitismus-Verdacht gehört zu den Verdachtsmomenten, die im öffentlichen Diskurs so ziemlich alle Regeln der Rechtsordnung, Logik und Vernunft ausser Kraft setzen. Ein Verdächtiger hat seine Unschuld nicht nur einmal zu beweisen, er wird dies immer wieder tun müssen, weil der Verdacht immer wieder nachwächst. Der Vatikan hat in den letzten Tagen mehrfach darauf verwiesen, dass zwischen innerkirchlichen Rehabilitierung und Williamsons umstrittenen Ansichten kein Zusammenhang bestehe, der Vatikan hat auch mehrfach auf Äusserungen und Schriften von Papst Benedikt XVI verwiesen, die an der Kenntnisnahme und Verurteilung der unentschuldbaren Verbrechen an den Juden im 20. Jahrhundert keinen Zweifel lassen. Weshalb das nicht genügt, ist aus Sicht des Vatikans schlicht nicht nachvollziehbar. Als müsste sich Deutschland täglich neu öffentlich vom Nationalsozialismus distanzieren, solange es innerhalb seiner Grenzen Rechtsradikale gibt. Als würde der Schweizer Bundesrat täglich in einer feierlichen Pressekonferenz die Grundwerte der Schweiz bekräftigen und sämtliche Gesetze verlesen, weil es nicht mehr reicht, auf die vorhandene Verfassung zu verweisen.

Hat die öffentliche Meinung erst mal ihren Skandal, will sie nur noch eines: Schuld und Sühne. Ob der Vatikan gut beraten wäre, nun die grosse Demuts- und Entsagungs-Geste zu suchen, ist doch mehr als fraglich. Nur allzu häufig passiert es, dass Menschen, die ständig symbolträchtig dieses bekräftigen und jenes bestreiten, damit genau den Verdacht auf das Gegenteilige schüren. Betroffene Hunde bellen, sagt der Volksmund. Papst Benedikt dürfte letztlich genau das erkannt haben: Die Kritiker fordern Öffnung und Dialog, sind aber selbst nicht mehr bereit, diesen Dialog in der – unbestritten eigentümlich alten – Sprache der Kirche zu führen. Kirche und Kritiker reden buchstäblich aneinander vorbei. Josef Ratzingers Konservativismus folgt letztlich dieser Einsicht: Sein steinalter Mammutbaum überlebt – falls er denn überlebt – nur als beharrlicher Gegenentwurf zur Moderne. So betrachtet ist Benedikt XVI ein konsequenter Darwinist.

Marco Ratschiller

mr (Quelle: Nebelspalter)

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