Samstag, 27. September 2008 / 11:40:00
Keiner rief «Stallone»! Alle riefen «Rocky»!
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Als der Hollywood-Star gestern Abend aus seiner Limo stieg, wurde klar, weshalb das Zurich Film Festival ihm den «Golden Icon Award» verleiht – also den Preis, für den man nur als Ikone qualifiziert ist.
Als veilchengeschmückter Boxer «Rocky» hat Sylvester Stallone sich diesen Preis verdient, in dem er auf blutige Schweinehälften eingeprügelt hat.
«Rocky» hat in der Schweiz viele illegitime Söhne gezeugt. Sie haben dieselben nach unten weisenden Mundwinkel, denselben Dackelblick, die Augen des Underdogs, die zu sagen scheinen: die ganze Welt hat mich angeschissen.
Doch dank Stallone wissen sie, dass ein Einzelner es mit einer Armee aufnehmen kann.
Und dank der Boxer-Saga fand manch junger Mensch zu diesem Sport. Einige hielten ihm für seine schwunghafte Signatur nicht eine DVD-Hülle seines letzten Rambo-Films vor, sondern Sportutensilien, Championgurte, Schlaghandschuhe.
Politisch in der rechten Ecke
Stallone machte es so spannend wie in seinen Filmen. Er liess diese Wartenden stundenlang ausharren. Was ist schon eine Stunde mehr, wenn man seit 1976 darauf wartet, dass er die damalige Prophezeiung einlöst, ein neuer Brando sei geboren?
Er winkte wie bei seiner letzten Planet-Hollywood-Eröffnung (unweit vom Bellevue in Zürich, an der Bahnhofstrasse nämlich, hat man schon vor Jahren auf ihn gewartet, als die Eröffnung der Filiale seiner Restaurantkette anstand, doch damals vergeblich).
Pikant auch, dass dieses leibhaftige Symbol der Republikaner, der schon von Reagan im Weissen Haus bewirtet wurde, am Festival auf eine andere Ikone trifft: Peter Fonda, von Haus aus Galionsfigur der Demokraten und Jury-Präsident des stargeschmückten Festivals. Stallone hat sich als Rocky ins Sternenbanner gehüllt, als sei’s ein Frottémantel.
Dieselben Stars und Stripes hat Easy Rider Fonda als Zeichen des Protests auf seinen Helm aufgemalt. John McCain und Barack Obama in Downtown Zurich? So politisch wird das Filmfest leider nicht.
Ein verdienter Preis
Als der Hollywood-Star gestern Abend aus seiner Limo stieg, wurde klar, weshalb das Zurich Film Festival ihm den «Golden Icon Award» verleiht – also den Preis, für den man nur als Ikone qualifiziert ist.
Mehr als ein Intellektueller mag schnöden, dass ein Stallone einen Preis für sein Lebenswerk erhält (dabei hat Stallone einst gar in einem Woody-Allen-Film mitgespielt, als Statist nur, aber auch das muss fairerweise zählen). Oberflächlich betrachtet mag sein Oevre tatsächlich darin bestehen, immer und immer wieder dieselbe Rolle gespielt zu haben, eine schauspielerische Sackgasse, in die er sich mit minimierter Mimik selbst gespielt hat.
Bei näherer Betrachtung hat Stallone aber im internationalen Film viel bewegt. In den 80er Jahren hat er wie im Dschungel-Alleingang die Fremdfinanzierung von Filmen revolutioniert und damit mancher Indie-Produktion Bahn gebrochen. Und ausserdem: keiner lief in Slowmotion schöner vor einer Explosion weg als Stallone. Ein Körper, gemeisselt wie von Michelangelo.
Als also diese Ikone aus Fleisch und Blut nun leibhaftig vor uns stand, da konnten einige nicht anders, als ihm in Referenz sein schönstes Leinwandzitat entgegenzuschmettern. Gable hatte «I don’t give a damn»; Bogart hatte «Ich schau dir in die Augen». Und Stallone hat «Adriaaaan!» Sein goldener Satz ist vielleicht nicht ebenso eloquent, ist – seinen Filmfiguren entsprechend – nicht mal ein ganzer Satz. Macht nichts. Auf der Leinwand wirkt er überlebensgross.
von Roland Schäfli (Quelle: news.ch)
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