Donnerstag, 10. Juli 2008 / 11:38:25
Realität gegen Cheney - Vorteil: Realität
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Man wartet schon lange darauf, doch bisher haben sich alle Hinweise, dass es bald soweit sein könnte, als falsch erwiesen. Der US-Angriff auf den Iran fand bisher nicht statt. Und dass, obwohl im Nahen Osten momentan ein kaum zuvor gesehenes Display militärischen Imponiergehabes abgezogen wird.
Israel demonstriert in Manövern Angriffe auf offenbar stark befestigte Ziele und muss gar nicht erst sagen, dass es sich dabei im Ernstfall um iranische Nuklearanlagen handeln würde. Teheran seinerseits lässt bei den jährlichen Sommermanövern Mittelstreckenraketen aufsteigen, die angeblich (aber weithin angezweifelt) bis Israel fliegen können.
Dazu kommen noch fast tägliche Statements von allen Seiten, dass man a) keine Option vom Tisch nähme (USA), b) für einen das Atomprogramm nicht diskutierbar sei (Iran), c) die notwendigen Schritte unternähme, wenn die internationale Staatengemeinschaft nichts mache, um den Iran zu stoppen (Israel).
Um das Ganze noch zu garnieren, fliegen die wildesten Gerüchte durch das Internet. Speziell jenes, dass die Bush-Regierung, im Falle eines demokratischen Sieges bei den Wahlen im November, in den Wochen bis zur Amtsübergabe an Obama im Januar, noch schnell einen Angriff auf den Iran starten werde, um vollendete Tatsachen zu schaffen, ist einerseits ziemlich irr und andererseits – betrachtet man die Politik von Bush's Truppe bis anhin – doch von einer erschreckenden Logik.
Diese Welle von Mutmassung und Unsicherheit, Drohung und versprochener Vergeltung allein hat den Ölpreis pro Barrell bereits um gute 35$ in die Höhe getrieben. Ein Angriff würde sofort einen Preis pro Barrel von 200$ nach sich ziehen, womöglich sogar das Doppelte, wenn der Iran die Strasse von Hormus verminen und Ölfelder in benachbarten Ländern mit Raketen attackieren würde.
Dies ist ein Teil der Realität, die in der frühen Regierungszeit Bush's gerne ignoriert oder sogar als beliebig formbar (laut einer Aussage von Präsidentenberater Rove) betrachtet wurde. Die USA sind am Limit ihrer militärischen Kapazität angelangt (es fehlen Truppen für Afghanistan), die Truppen im Irak könnten nicht für einen Schlag gegen den Irak herangezogen werden und der Erfolg eines solchen Unterfangens wäre sehr zweifelhaft – nicht zuletzt wegen der unkalkulierbaren Folgen.
In der Bush-Regierung selbst scheint ein grosser Wandel stattgefunden zu haben, seit Donald Rumsfeld als Verteidigungsminister abgetreten und durch Robert Gates ersetzt worden ist. Gates ist ein Realpolitiker und er scheint es geschafft zu haben, die irren Krieger um Vizepräsident Dick Cheney herum zu isolieren.
Nach dem jüngsten Deal mit Nordkorea verglich der Ex-Uno-Botschafter John Bolton – ein Cheney-Mann reinsten Wassers – dass dies wie ein Geschäft mit der Mafia gewesen sei. Und Cheney habe, als Nordkorea von der schwarzen Liste der Terror-Staaten gestrichen wurde, empört eine Sitzung mit dem US-Aussenministerium verlassen.
Iran ist nun der letzte Kampfplatz für die Bush-Administration. Auf der einen Seite die durch die Realität – die sich als erstaunlich Robust erwies – in die Defensive gedrängten Hardliner um Dick Cheney. Auf der anderen Seite die Realisten um Robert Gates und Condoleeza Rice, die in letzter Zeit mehr Gewicht bekommen haben. Die Frage ist nun einfach: Wird Cheney noch ein letztes mal seinen Finger an den Abzug bekommen, wird er in einer letzten, verzweifelten Aktion es schaffen, seinen Traum zu erfüllen und den Iran anzugreifen?
Momentan sieht es nicht danach aus. Doch man kann nie allzu sicher sein. Denn nicht nur Cheney ist scharf auf einen solchen Krieg – auch islamistische Terroristen fürchten nichts so sehr, wie eine langsame Befriedung der Region und ein einziger erfolgreicher Anschlag könnte ausreichen, Cheneys Hardlinern genügend Stoff zu geben, um doch noch los zu schlagen.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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