Donnerstag, 3. Juli 2008 / 11:34:40
FARC off
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Die Befreiung von Ingrid Betancourt nach sechs Jahren Geiselhaft aus den Händen der Guerilla-Armee FARC könnte ein Wendepunkt in Südamerika sein.
Sie stellt eine Chance dar, dass die Zivilgesellschaft dieses Kontinents endlich einen Fuss auf den Boden bekommt. Und sie zeigt ebenfalls auf, dass ein Laptop eine mächtigere Waffe als eine ganze Armee sein kann.
Der Wendepunkt, von dem aus auch der Weg zur Befreiung Betancourts, begangen wurde, fand am 1. März dieses Jahres statt, als das kolumbianische Militär in einer Kommandoaktion den Grenzfluss Putumayo nach Ecuador überschritt und ein Camp der heimlich von Ecuador und Venezuela unterstützten FARC-Rebellen angriff. Unter anderem fiel der Attacke auch Raúl Reyes, ein Mitglied der zentralen Führung der FARC zum Opfer.
Der Angriff führte zu einer diplomatischen Krise, da in der Folge Venezuela und Ecuador Kolumbien für diese Attacke hart angriffen und sogar mit Militärschlägen drohten. Doch die kolumbianische Armee erbeutete bei dem Raid etwas, dass diese Risiken mehr als wert war: drei Laptops und zwei externe Festplatten welche offenbar die Führungsstruktur und Pläne der FARC ebenso enthüllten, wie die Verwicklung der Regierungen Ecuadors und Venezuelas mit den Drogen handelnden und kidnappenden Rebellen, die Kolumbien seit Jahrzehnten terrorisieren.
Dank dieses Wissens gelang es Kolumbien einerseits, den venezolanischen Zampano Hugo Chàvez international weitgehend ruhig zu stellen und vor allem die FARC zu infiltrieren. Nur so war der gestrige Coup möglich, vor dem die Rebellen mit gefälschten Mitteilungen dazu gebracht worden waren, 15 Geiseln für einen vermeintlichen Weitertransport mit einem ebenso vermeintlichen Rebellenhubschrauber zusammenzuführen.
Diese Befreiung ist für den kolumbianischen Präsidenten Uribe ein Triumph und für Chàvez eine schmerzhafte Niederlage, dürfte nun doch endgültig sein Traum von einer «bolivarischen» Revolution in Südamerika ausgeträumt sein. Die FARC-Rebellen sind voneinander isoliert, ihre Kommunikation komprimitiert, ihre prominenten Unterstützer in den Nachbarländern zurück gebunden. Ein Sturz der Regierung in Bogotà ist ausgeschlossen. Die Revolution wird nun draussen bleiben.
Chàvez dürfte vor Wut kochen, nicht zuletzt, weil er riesige Geldbeträge und logistische Hilfe in die FARC investiert hat. Und nicht nur dort. Chavez versuchte jahrelang mit grosszügigen Geschenken an befreundete Regierungen in Südamerika eine Art von Volkssozialismus zu etablieren mit dem Fernziel, den Kontinent gar zu einen.
Siege dieser politischen Geschmacksrichtung wie in Bolivien und Ecuador mochten wie grosse Erfolge für ihn erscheinen und seine enge Freundschaft mit Fidel Castro deutete darauf hin, dass er sich nach einem Ikonenstatus sehnte. Doch dann verlor der von ihm unterstützte Kandidat Ollanta Humala in den peruanischen Wahlen vor zwei Jahren, er selbst sein als vermeintlich sicher geglaubtes Verfassungsreferendum und nun noch das: Betancourt ist – ganz ohne seine Hilfe - frei und es scheint sich ausgefarct zu haben, in Kolumbien.
Kommt dazu, dass die bolivarischen Herrscher – allen voran auch wieder Chàvez – die Probleme in ihren Ländern auch nicht lösen konnten und meist noch verschlimmerten. Rechte Korruption und Willkür wurden durch dasselbe in Rot ersetzt. Wenn es Kolumbien nun schafft, auf dem demokratischen Weg zu bleiben und den Rechtstaat weiter zu stärken, könnte dies ein starkes Signal an den Rest Südamerikas sein, nämlich dass die Zeit der starken Männer, die vor allem mit ihren Cojones prahlten vorbei ist und endlich politischer Machismo mit Hirn ersetzt wird.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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