Freitag, 7. März 2008 / 07:29:00
Niemand darf für immer in einer Blase leben
Die Blase ist geplatzt. Amerikas stetig wachsende Vernarrtheit in Barack Obama musste irgendwann ihren Höhepunkt erreichen, und diese Woche hat der Persönlichkeitskult um den Senator plötzlich nachgelassen.
Obamas Präsidentschaftskampagne ist schwerlich vorbei, aber ein wenig ist die Luft raus. Jetzt ist der Spass vorbei, es heisst kämpfen.
Im Rückblick hatte er es ziemlich einfach, der Senator aus Illinois mit dem strahlenden Lächeln. Die Medien bewunderten ihn und behandelten ihn dementsprechend sanft, Parteivorsitzende fühlten sich unter Druck, ihn willkommen zu heissen, und ganz normale Anhänger der demokratischen Partei waren begeistert wie von keinem anderen Politiker seit mindestens einem Jahrzehnt.
Niedliche Slogans und Wortschöpfungen machten die Runde: über «Oba-manie» und Amerikas neuen «Barack-star».
Elf Vorwahlen gewonnen
Elf aufeinander folgende Vorwahlen hat er gewonnen, wie auch diese Woche in Vermont. Aber sein aussergewöhnliches Charisma und sein meisterhaft geführter Wahlkampf führten ihn hierher und nicht weiter.
Diese Woche wurde auf einmal berichtet, ein Mitarbeiter Obamas habe der kanadischen Regierung unter der Hand mitgeteilt, der Senator meine es nicht so ernst, wenn er davon spreche, den Aussenwirtschaftsverkehr strenger unter die Lupe zu nehmen. (Obama kommentierte, er habe über seine Pläne stets die Wahrheit gesagt und sein Mitarbeiter habe nie etwas anderes behauptet.)
Auch seinen Verbindungen mit einem Geschäftsmann, der wegen korrupter Geschäfte mit dem Staat Illinois vor Gericht steht, wurde plötzlich neue Aufmerksamkeit geschenkt. (Obama kommentierte, es sei unklug gewesen sich mit dem Mann einzulassen, dass er aber selbst nichts Unrechtes getan habe.)
Wer ist geeigneter internationale Krisen zu lösen?
In stark zugespitzten Wahlkampfspots der Clinton-Kampagne wurden Wähler gefragt, wen sie für geeigneter hielten, mitten in der Nacht im Weissen Haus am Telefon internationale Krisen zu lösen. (Obama griff die Glaubwürdigkeit der Fernsehspots an, konnte aber nicht verhindern dass sie Wähler daran erinnerten, dass er nach nur vier Jahren in Washington für die Präsidentschaft kandidiert.)
Der Grund für Hilary Clintons Siege in Texas, Ohio und Rhode Island in dieser Woche war vermutlich ihr unermüdlicher Wahlkampf. Der Schaden aber ist schon nicht mehr abzuwenden.
Der Kampf geht weiter
Obamas Gewinnserie ist vorbei. Der Kampf um die demokratische Nominierung wird weitergehen und sich von nun an noch schwieriger gestalten. In der Zahl der Delegierten, die über den Präsidentschaftskandidaten für die Partei bestimmen, liegt Obama weiterhin vorn, aber Clinton ist ihm auf den Fersen. Dieser Fast-Gleichstand könnte uns über Wochen oder gar Monate eines harten Wahlkampfes erhalten bleiben.
In der nächsten Zeit wird es weniger witzige neue Obama-Slogans geben und dafür mehr Gespräche über den berühmt-berüchtigten fiktiven nächtlichen Telefonanruf im Weissen Haus.
Irgendwann musste es kommen. Niemand darf für immer in einer Blase leben.
Jonathan Mann - Campaign Trail Column für den 7.3.08
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «The Campaign Trail» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.
CNN-Kolumne von Jonathan Mann
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