Dienstag, 11. April 2006 / 15:10:40
Oberster Mafia-Pate nach 40 Jahren gefasst
Rom - Auf Sizilien ist nach über 40-jähriger Flucht der meistgesuchte italienische Mafiaboss Bernardo Provenzano gefasst worden.
Der 73 Jahre alte «Boss der Bosse» ging der Polizei in der Nähe der berüchtigten Mafia-Hochburg Corleone in die Falle.
Bei seiner Festnahme habe er keinerlei Widerstand geleistet, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Ein DNA-Test habe bestätigt, dass es sich tatsächlich um Provenzano handelt. Der Pate sei an einen geheimen Ort gebracht worden, hiess es.
Attentat auf den Mafia-Jäger
«Die Festnahme Provenzanos ist ein aussergewöhnliches Ergebnis, das vor allem durch Stillschweigen, Geduld, Entschlossenheit und Professionalität erzielt wurde», sagten Staatsanwälte in Palermo. Unter anderem soll der Boss in das Attentat auf den Mafia-Jäger Paolo Borsellino im Sommer 1992 verwickelt gewesen sein.
«Er war der mysteriöseste Boss der Cosa Nostra», schrieben Medien über Bernardo Provenzano. Er war Anfang 1993 nach der Verhaftung von Toto Riina an die Spitze der sizilianischen Cosa Nostra aufgestiegen. Insider bezeichneten ihn stets als äusserst misstrauisch und menschenscheu.
Legendärer «Traktor»
Wegen seiner Entschlossenheit wird er auch «Der Traktor» genannt. Er soll einer der Drahtzieher im internationalen Drogenhandel und der Geldwäscherei sein. Seit Jahrzehnten war die Polizei ihm mehrmals auf den Fersen, immer jedoch konnte Provenzano wieder entwischen.
Seither ranken sich zahlreiche Legenden um den «Capo Mafia». Unter anderem hiess es im vergangenen Jahr, Provenzano habe sich als Bischof getarnt. Seit wenigen Jahren gab es wieder ein Phantombild, nachdem das letzte Bild des Flüchtigen über 40 Jahre alt war.
Dabei wurde das neue Bild nach den Angaben inhaftierter Mafiosi angefertigt. Im vergangenen Jahr hiess es, Provenzano habe sich heimlich in Marseille operieren lassen. Er habe sich in der französischen Klinik als Bäcker aus einem sizilianischen Dorf ausgegeben.
Ciampi gratuliert
Der italienische Staatschef Carlo Azeglio Ciampi gratulierte den Sicherheitskräften für die Festnahme Provenzanos. Der Anti-Mafia- Politiker Leoluca Orlando sprach von einem «ausserordentlichen Erfolg» des italienischen Staates.
Da Provenzano seiner Festnahme immer wieder entgehen konnte, waren Vermutungen laut geworden, Vertreter von Polizei und Politik hielten ihre schützende Hand über ihn. Provenzano soll unter anderem in die tödlichen Anschläge auf die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992 verwickelt gewesen sein.
Briefe an Familie
Provenzano war ein Albtraum des italienischen Sicherheitsapparats. «Mann ohne Gesicht» nannten ihn die Beamten oder einfach «Das Gespenst». Schliesslich wussten sie nicht mehr, wie er aussah. Nach wie vor soll Provenzano den Drogenhandel der Cosa Nostra organisiert haben.
Immer wieder hiess es, der Boss lebe in Palermo oder ganz in der Nähe von Corleone. Angeblich hatte er es nicht einmal nötig, sich besonders zu verstecken. Immer wieder habe er sich per Brief bei seiner Familie gemeldet.
ht (Quelle: sda)
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