Freitag, 14. Oktober 2005 / 13:53:45
Was den Piraten antreibt (Filmpiraten Teil 2/2)
Den Fan reizt es, einen Film vor dem offiziellem Start gesehen zu haben. Den Piraten reizt primär, alle Sicherheitsmassnahmen ad absurdum zu führen.
„Klar ist das geiler“, so äussert sich auf einem Internetforum ein sogenannter Tauschbörsianer, „wenn die halbe Welt Star Wars 3 zieht und man Erster war.“ Erwartungsfroh sagen die Kopierer, Release Groups genannt, sogar voraus, wer von ihnen als Erster den Film ins Netz stellen wird.
Nicht illegaler Profit ist der Antrieb der Piraten, sondern die Herausforderung, einem Konzern ins globale Handwerk zu pfuschen. Und diese Herausforderung wird durch neue Sicherheitsmassnahmen nur reizvoller.
Branchen-Streitigkeiten
Auf der Suche nach diesem lachenden Dritten zerstreiten sich derweil Kinobetrieb und Filmverleih. „Wieviele Vorkehrungen künftig im Kino getroffen werden, hängt davon ab, wie viel wir uns vom Verleih vorschreiben lassen“, gibt sich Rolf Häfeli, Betreiber eines Landkinos, kämpferisch.
Ins selbe Horn stösst die Wiler Kinobetreiberin Felicitas Wittibschlager, die es befremden würde, ihre Gäste mit Nachtsichtgerät beobachten zu lassen.
Kontraproduktiv
Dass die Zuschauer ihre Handys abgeben müssen, führe zu kontraproduktiven Reaktionen und treibe das Publikum der Heimkino-Konkurrenz geradezu in die Arme. Und in einem Thurgauer Kino hintertreibt man die Bemühung des Verleihs, indem die schriftliche Warnung vor dem Hauptfilm einfach weggeschnitten wird.
Dabei ist mit dem Verleihern nicht zu spassen. Gegen ein Kino in Deutschland, auf das die abgefilmte Raubkopie von „Traumschiff Surprise“ zurückgeführt werden konnte, hat der Verleih den Prozess eröffnet.
Amerika diktiert
Doch meist erfüllen die Verleiher nur widerwillig die schärferen Auflagen, die ihnen von den amerikanischen Mutterhäusern diktiert werden. Denn eigentlich wissen Verleiher ebenso wie Kinobetreiber, dass der Pirat nicht in der Schweiz und auch nicht in der Projektionskabine zu finden ist.
Der sitzt vielmehr an der Quelle: entweder im Kopierwerk, wo die 35mm-Bänder gezogen werden. Oder sogar noch einen Produktionsschritt früher, im Schnittraum der Filmemacher.
Eine Raubkopie des Ursprungmaterials ist qualitativ nicht von der handelsüblichen DVD zu unterscheiden. Es erstaunt darum nicht, dass die
Verleiher die 35mm-Kopie wie ihren Augapfel hüten.
Ins Vernichtungswerk
Nach der Kinoauswertung wurden die Filmstreifen jeweils unter notarieller Aufsicht ins Vernichtungswerk gegeben (ein Vorgang, den die Cinémathéque Suisse, die wenigstens eine Kopie jedes in der Schweiz gezeigten Films aufbewahrt, immer sehr bedauert hat).
Aus Umweltschutzgründen werden die Filme heute nicht mehr verbrannt – die Firma Filmsped, zuständig für den Versand, schafft jährlich 60 Tonnen zum Recycling nach Deutschland. Um sicherzustellen, dass auch an der Endstation niemand eine Kopie missbräuchlich verwenden kann, wirft man jeweils eine Rolle des Films schon hier in den Abfall.
Übrigens: „Star Wars“ wurde, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz, als Bootleg-Kopie ins Internet gestellt.
Roland Schäfli (Quelle: news.ch)
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