Dienstag, 2. August 2005 / 09:30:02
Seiltanz zwischen Orient und Okzident
Riad - Die Bilder der 19 Attentäter zeigten 15 Männer aus Saudiarabien. Und auch der Hintermann der Anschläge vom 11. September 2001 stammte aus dem ölreichen Königreich - Osama bin Laden.
Die USA und die gesamte Welt konnten es nicht mehr übersehen: Saudiarabien, vor fast 1500 Jahren die Wiege des Islams, war zur Brutstätte des Terrornetzwerks El Kaida geworden. Die USA und der Westen pochen seither auf demokratische Reformen und einen harten Anti-Terror-Kampf. Doch der Spielraum in dem erzkonservativen Land ist klein.
Schwierige Balance
Schon der am Montag gestorbene König Fahd vollführte einen Seiltanz zwischen Orient und Okzident. Seit dessen Erkrankung vor zehn Jahren muss Kronprinz Abdullah die Balance halten - nach dem Tod von Fahd nun als König.
Die USA scheinen zufrieden zu sein mit dem, was Abdullah in den Jahren seit den Anschlägen von New York und Washington getan hat. US-Präsident George W. Bush lud den Kronprinzen im April auf seine Ranch nach Texas ein, Hand in Hand schlenderten sie dort durchs Gelände - in der Bildsprache der US-Diplomatie ein Zeichen für bestes Klima zwischen den USA und ihrem wichtigen Verbündeten.
Und gute Beziehungen zueinander sind beiden Staaten wichtig: Die USA brauchen Saudi-Arabien als grössten Erdöl-Lieferanten der Welt. Riad sieht in den USA die wichtigste Schutzmacht für seine Ölquellen in der instabilen arabischen Welt.
Saudiarabien führte in den vergangenen Jahren einen harten Kampf gegen islamistische Extremisten im Land. Mehr als einhundert Kämpfer starben. Das Vorgehen rührt dabei nicht nur vom Druck der USA her. Saudiarabien ist seit 2003 selbst im Visier der El Kaida. Bei Anschlägen kamen mehr als einhundert Menschen ums Leben, darunter viele Ausländer.
Die Resultate des Anti-Terror-Kampfs bleiben indes ungewiss. Die Gewalt liess in jüngster Zeit zwar nach, eine vom Königshaus angebotene Amnestie nahmen aber nur ganze sechs Kämpfer in Anspruch.
Vorsichtige Reformen
Auch vorsichtige demokratische Reformen im Land stimmten die USA und den Westen hoffnungsvoll. Das spektakulärste Ereignis sah Saudiarabien im Frühjahr, als die Menschen bei Kommunalwahlen erstmals ihre Stimme abgaben.
Doch die Grenzen einer solchen Öffnung blieben immer klar sichtbar in einem Staat, der sich auf die besonders puristische Form des Islam beruft, den Wahhabismus. So durften Frauen bei den Kommunalwahlen nicht abstimmen, das Land bleibt eine absolute Monarchie, Parteien sind im politischen System nicht bekannt.
Die Grenzen des saudiarabischen Herrscherhauses wurden auch im Vorfeld des Irak-Kriegs klar. Abdullah verweigerte den USA, von Saudiarabien aus die Invasion zu starten. Washington führte den Krieg schliesslich von Katar aus.
Der verstorbene König Fahd hatte beim Golfkrieg 1991 noch anders entschieden. Viele Moslems sahen durch die US-Militärpräsenz damals den heiligen Boden des Landes beschmutzt, wo mit Mekka und Medina die beiden islamischen Hauptheiligtümer stehen.
Die US-Präsenz war ein Schlüsselerlebnis für die Radikalisierung vieler Moslems in Saudi-Arabien und anderen Ländern. Und zeigte Abdullah, dass die saudiarabische Monarchie beim Seiltanz die Balance schnell verlieren kann.
Lydia Georgi (Quelle: afp)
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