Adieu in Gelb?

Fünf seiner sechs Gesamstsiege verbuchte Armstrong im grossen Stil. Bloss im Jahr 2003, anlässlich der 100. Austragung der Tour, geriet der Texaner in die Defensive. Gerade die Jubiläumsfahrt im Jahrhundertsommer nährt die Hoffnungen der Rivalen. Aber selbst die damalige Schwäche des Seriensiegers blieb ohne Folgen -- was weiter für Armstrongs Qualitäten spricht.

Armstrong (33) nimmt seine letzte Tour de France mit einer ausserordentlich starken Mannschaft in Angriff. Selbst Paolo Savoldelli, der Sieger des Giro d´Italia, startet als Helfer des Amerikaners zum grössten Velorennen der Welt. In Armstrongs Team kommt die seit 1999 bewährte Strategie zum Zug: Alle haben sich dem Leader auf Gedeih und Verderb unterzuordnen!

Ullrich und seine "Helfer"

In der Equipe der mutmasslich härtesten Rivalen von Armstrong, jener von Jan Ullrich (31), hat punko Mannschaftsaufstellung ein Umdenken stattgefunden. Der (nicht mehr so schnelle) Sprinter Erik Zabel muss einem weiteren Helfer für Ullrich weichen und sich die Tour de France vom Sofa aus ansehen.

Wie unbestritten Ullrichs führende Position teamintern ist, muss sich freilich erst weisen. Der überaus starke Kasache Alexander Winokurow (31), der Dritte 2003, beteuerte im Vorfeld des Rennens wohl mehrmals, sich ganz in den Dienst des Deutschen zu stellen. Winokurow kann aber ein unberechenbarer Zeitgenosse sein, für den die eigenen Interessen mitunter wichtiger sind als jene des Teams. Zudem will Winokurow die deutsche Equipe Ende Jahr verlassen.

Ebenfalls in Ullrichs Mannschaft fährt Andreas Klöden (30), der Gesamtzweite des Vorjahrs. Der Dreizack Ullrich-Winokurow-Klöden kann für Armstrong bedrohlich werden, aber nur, wenn die persönlichen Absichten in den Hintergrund rücken. Der ungestüme und wuchtige Winokurow scheint eher in der Lage zu sein, Armstrong aus dem Sattel zu heben, als der in den Steigungen etwas behäbige Ullrich.

Strategien

Heikel könnte es für Armstrong werden, wenn die Mannschaften von Ullrich und Ivan Basso (27), dem Dritten 2004, in den Bergen zusammenspannen. Der Italiener ist ein ausgesprochen starker Kletterer, der sich in den Zeitfahren nachhaltig verbessert hat. Er hat das von Bjarne Riis betreute Team zur Seite, das vom Chef jeweils speziell gut auf ein wichtiges Rennen vorbereitet wird.

Aber Armstrong wird sich zu wehren wissen. Die besten Abwehrstrategien wird er schon seit langem bereit halten. Wahrscheinlich sagt er im Maillot Jaune dem Rennsport adieu. Nach der 21. und letzten Etappe am 24. Juli hängt er das Velo an den Nagel.

Schweizer Ziele

Viel vorgenommen hat sich die Schweizer Equipe Phonak. Der Gesamtsieg ist für die Teamleader Santiago Botero (Kol) und Floyd Landis (USA) wohl ausser Reichweite, aber Teilerfolge sind möglich.

Der aussichtsreichste der insgesamt sechs Schweizer Teilnehmer ist Fabian Cancellara (24), der wie vor einem Jahr das erste Zeitfahren (1. Etappe) gewinnen und das Leadertrikot an sich nehmen will. Der Berner ist in Form und in der Lage, auf den 19 km in Noirmoutier-en-l´Ile den Coup von Lüttich zu wiederholen. Rollt Cancellara erneut zu Gelb, kann seine Equipe alles daran setzen, die Leaderposition zu verteidigen, weil Starsprinter Alessandro Petacchi die Tour de France auslässt.

Die zweite Schlüsseletappe ist das Mannschaftszeitfahren am Dienstag, 5. Juli. Die erste von drei Alpenetappen folgt eine Woche später. Eine Überführungsetappe bringt den Tross an den Rand der Pyrenäen, in denen ebenfalls drei Teilstücke auf dem Programm stehen. Das zweite Einzelzeitfahren findet am vorletzten Tag in Saint-Etienne statt. Die Totaldistanz der 92. Tour de France beträgt 3608 km.

Teilnehmer (21 Mannschaften und beste Fahrer)
Phonak (Santiago Botero/Kol, Floyd Landis/USA, Oscar Pereiro/Sp, Bert Grabsch/De, Nicolas Jalabert/Fr, Enrique Gutierrez/Sp, Robert Hunter/SA, Steve Zampieri/Sz, Alexandre Moos/Sz).

Discovery Channel (Lance Armstrong/USA, George Hincapie/USA, Pavel Padrnos/Tsch, José Azevedo/Por, Manuel Beltran/Sp, José Luis Rubiera/Sp, Benjamin Noval/Sp, Paolo Savoldelli/It, Jaroslaw Popowitsch/Ukr).

T-Mobile (Jan Ullrich/De, Alexander Winokurow/Kas, Andreas Klöden/De, Giuseppe Guerini/It, Matthias Kessler/De, Daniele Nardello/It, Oscar Sevilla/Sp, Tobias Steinhauser/De, Stephan Schreck/De).

CSC (Ivan Basso/It, Carlos Sastre/Sp, Bobby Julich/USA, Jens Voigt/De).

Euskaltel (Iban Mayo/Sp, Inigo Landaluze/Sp).

Rabobank (Michael Boogerd/Ho, Erik Dekker/Ho, Denis Mentschow/Russ).

Fassa Bortolo (Fabian Cancellara/Sz, Juan Antonio Flecha/Sp).

Quick Step (Tom Boonen/Be, Michael Rogers/Au).

Davitamon (Robbie McEwen/Au, Cadel Evans/Au).

Illes Balears (Francisco Mancebo/Sp, Alejandro Valverde/Sp).

Liberty Seguros (Roberto Heras/Sp, Igor Gonzalez de Galdeano/Sp, Joseba Beloki/Sp, Alberto Contador/Sp).

Gerolsteiner (Levi Leipheimer/USA, Georg Totschnig/Ö, Beat Zberg/Sz).

La Française des Jeux (Bradley McGee/Au, Sandy Casar/Fr, Baden Cooke/Au).

Crédit Agricole (Thor Hushovd/No).

Domina Vaccanze (Wladimir Belli/It).

Cofidis (Sylvain Chavanel/Fr, David Moncoutié/Fr, Stuart O´Grady/Au).

AG2R (Jean-Patrick Nazon/Fr).

Saunier Duval (Chris Horner/USA, Angel Gomez/Sp, Leonardo Piepoli/It).

Liquigas (Stefano Garzelli/It, Dario Cioni/It, Michael Albasini/Sz).

Lampre (David Loosli/Sz, Salvatore Commesso/It, Eddy Mazzoleni/It).

Bouyges Telecom (Laurent Brochard/Fr, Thomas Voeckler/Fr).

Parcours
Samstag, 2. Juli. 1. Etappe: Fromentine - Noirmoutier-en-l´Ile (Einzelzeitfahren über 19 km). -- Sonntag, 3. Juli. 2. Etappe: Challans - Les Essarts (181,5 km). -- Montag, 4. Juli. 3. Etappe: La Châtaigneraie - Tours (212,5 km). -- Dienstag, 5. Juli. 4. Etappe: Tours - Blois (Mannschaftszeitfahren über 67,5 km). -- Mittwoch, 6. Juli. 5. Etappe: Chambord - Montargis (183 km). -- Donnerstag, 7. Juli. 6. Etappe: Troyes - Nancy (199 km). -- Freitag, 8. Juli. 7. Etappe: Lunéville - Karlsruhe (De/228,5 km). -- Samstag, 9. Juli. 8. Etappe: Pforzheim (De) - Gérardmer (231,5 km). -- Sonntag, 10. Juli. 9. Etappe: Gérardmer - Mulhouse (171 km, erster Bergpreis der 1. Kategorie/Ballon d´Alsace).

Montag, 11. Juli: Ruhetag in Grenoble. -- Dienstag, 12. Juli. 10. Etappe: Grenoble - Courchevel (192,5 km, erste Alpenetappe mit der ersten Bergankunft). -- Mittwoch, 13. Juli. 11. Etappe: Courchevel - Briançon (173 km mit den Pässen Télégraphe und Galibier). -- Donnerstag, 14. Juli. 12. Etappe: Briançon - Digne-les-Bains (187 km mit 5 Bergpreisen). -- Freitag, 15. Juli. 13. Etappe: Miramas - Montpellier (173,5 km). -- Samstag, 16. Juli. 14. Etappe: Agde - Ax-3 Domaines (220,5 km, erste Pyrenäenetappe mit 10 km langer Bergankunft). -- Sonntag, 17. Juli. 15. Etappe: Lézat-sur-Lèze - Saint-Lary-Soulan/Pla-d´Adet (205,5 km, 4 Pässe der 1. Kategorie und Bergankunft).

Montag, 18. Juli: Ruhetag in Pau. -- Dienstag, 19. Juli. 16. Etappe: Mourenx - Pau (180,5 km, letzte Etappe im Hochgebirge). -- Mittwoch, 20. Juli. 17. Etappe: Pau - Revel (239,5 km). -- Donnerstag, 21. Juli. 18. Etappe: Albi - Mende (189 km). -- Freitag, 22. Juli. 19. Etappe: Issoire - Le Puy-en-Velay (153,5 km). -- Samstag, 23. Juli. 20. Etappe: Saint-Etienne - Saint-Etienne (Einzelzeitfahren über 55,5 km). -- Sonntag, 24. Juli. 21. Etappe: Corbeil-Essonnes - Paris (144,5 km). -- Totaldistanz 3608 km.

von Daniel Good (Quelle: Si)

In Verbindung stehende Artikel: