Mittwoch, 4. Dezember 2013 / 11:48:04
How the west was won
Auch Deutschschweizer können irren. Östlich von Fribourg kursiert nämlich
gelegentlich die Annahme, wenn die Blätter von welschen Bäumen gefallen,
die Trauben von den Reben gelesen und die Weinfässer im Keller eingelagert
seien, verfallen die Romands in eine Art Koma bis zur Schneeschmelze.
Dabei schwingen diese oberhalb des Lac Leman über astreine Pisten, während
man sich anderswo in Warteschlangen die Beine in den Skianzug steht.
62 Prozent Ausländer! Damit hält die Gemeinde Leysin den Schweizer Rekord. Wer jetzt allerdings im Waadtländer Dörfchen nordöstlich des Bezirkshauptorts Aigle
eine Westschweizer Miniaturausgabe von Schlieren oder Schwamendingen vermutet, liegt kreuzfalsch. Ab den Vorkriegsjahren kultivierte die europäische High Society das auf etwas über 1200 Metern gelegene 4000-Seelen-Nest als Höhenkurort für Tuberkulosepatienten. Einigen davon gefiel es so gut, dass sie wiederkamen. Oder gleich blieben. Auch als der Schnee fiel und schmolz und erneut fiel. Und wer einmal die Serpentinen von Aigle her hochgekurvt ist, kann sie verstehen.
Selbst wenn längst die Schatten ins Rhonetal fallen, und der Kleenexverbrauch dort markant steigt, herrscht in Leysin dank der Terrassenlage noch eitel Sonnenschein. Die Damen in Nerz und Kaschmir schlürfen ihren Café Lutz an der frischen, anscheinend so gesunden Luft, während die Bergmassive der Berneuse die frostigen Nordwinde abblocken.
In den Nobel-Internaten Leysins (in einem davon trafen sich übrigens Julian Casablancas und Richard Hammond Jr., bevor sie mit The Strokes den Indie-Rock erneuerten) deportiert die Wirtschafts- und Showelite bis heute ihre Sprösslinge, um sie geschützt vor dem Rummel und nächtlichen Verlockungen auf den Ernst des Lebens vorzubereiten. Weniger ernst geht es hingegen im Winter
an den 17 Bergbahnen entlang der Route zum Col des Mosses zu, die selbstverständlich auch Exponenten der Mittelschicht schnell und bequem auf die umliegenden Gipfel bringen. Zu durchaus vernünftigen Tarifen!
Ein paar Hügelzüge weiter ist im Tagespass sogar noch eine anständige Dosis Mystik inklusive! Les Diablerets (zu Deutsch: des Teufels!) verdankt seinen Namen der mittelalterlichen Sage, im schroffen Ormont-Tal habe sich der Leibhaftige persönlich niedergelassen. Hat er natürlich nicht. Dafür haben in moderneren Zeiten Wintersportler die spektakulären Felswände für sich entdeckt und kurven jetzt - auf Teufel komm raus! - die zusammengezählt 25 Kilometer langen Abfahrten von Les Diablerets hinunter.
Glacier 3000 nennt sich dieses Patchwork, das drei von einer Buslinie verbundene Skigebiete umfasst. Unter denen ist für jeden Schwierigkeitsgrad etwas dabei. Für Anfänger etwa, die den wunden Hintern auch gern mal bei einem Käseplättli etwas aussurren lassen, zum Beispiel die Isenau. Oder für Kids der Funpark nahe des Dorfes Les Diablerets, mit Schlittellift und Karussell. Und wer sich tatsächlich sattgesehen und -gefahren hat inmitten der imposanten Steilhänge, oder wie die Ritter den Satan im Genick spürt, der kann immer noch ins benachbarte Villars übersetzen. Also, wenn er denn wirklich will...
Glacier 3000
Es ist fast ein wenig wie in einer Parallelwelt: Selbst wenn die ganze Schweiz Soft Ice schlemmt und in Flipflops herumspaziert, gondeln im Skigebiet Glacier 3000 die Pistenflitzer die Gipfel hoch. Jene Gipfel, welche zu den höchsten der Alpen zählen. Dort, wo die Romandie allmählich ins Berner Oberland übergeht. Dort, wo die Winterwelt noch in Ordnung ist - 12 Monate im Jahr.
asu (Quelle: winterguide.ch)
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