Donnerstag, 7. Februar 2013 / 09:45:00
Nachhaltigkeit fördern mit Informations- und Kommunikationstechnologien
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Konferenz «ICT for Sustainability» an der ETH Zürich stattfindet: Initiant der Konferenz ist Bernard Aebischer, der jahrelang an der ETH Zürich forschte und lehrte.
Als Dr. Bernard Aebischer in den frühen 1990er Jahre an die ETH Zürich kam, konnte er seine Forschung auf Vorarbeiten meiner damaligen «Forschungsgruppe Energieanalyse» aufbauen. Ende der 1980er Jahren wurden in meiner Forschungsgruppe nämlich einige Semesterarbeiten und eine Diplomarbeit zum Thema «Stromverbrauch von Computern aus energiewirtschaftlicher Sicht» geschrieben, deren Resultate ich publiziert hatte [1]: Die Resultate wurden international zwar zur Kenntnis genommen, aber eher belächelt. Die Forschergemeinde bezweifelte unsere Aussage, dass Informationstechnologien (IT) in Zukunft zum ernstzunehmenden Stromverbraucher würden!
Bernard Aebischer selber wurde während seiner Arbeit an der ETH Zürich zu einem der führenden Kenner, was den Energieverbrauch von Computern und Computerzentren betrifft. Während Jahren betreute er das vom Bundesamt für Energie gesponserte Kompetenzzentrum «Energie und Informationstechnik» der ETH [2]. Nun hat er die «ICT for Sustainability»-Konferenz initiiert, die den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) zur Förderung der Nachhaltigkeit thematisiert.
Zur Konferenz reisen Vortragende und Teilnehmer aus aller Herren Länder an. Aus der Schweiz spricht unter anderen Pierre-Alain Graf, der CEO von Swissgrid. Zudem finden interessante öffentliche Nebenveranstaltungen statt, wie z.B. ein «Green Hackathon». Ich selber werde einen Vortrag über die Wechselwirkung von Energie, Information und Wachstum halten. Dabei werde ich darlegen, warum ICT alleine - als «Tech-fix» - nicht in der Lage sind, Nachhaltigkeit zu fördern. Ich werde aber auch betonen, dass - falls der politische und gesellschaftliche Wille zu einer nachhaltigen Wirtschaft besteht - die Informations- und Kommunikationstechnologien dazu prädestiniert sind, eine wichtige Rolle zu spielen.
Ich begründe meine These mit Resultaten von Forschungsarbeiten zur Substituierbarkeit von Energie, Information und Zeit. Hinter diesen Arbeiten steht die These, dass der Einsatz von ICT direkt zur Nachhaltigkeit beitragen würde, könnte der Energieverbrauch durch Information substituiert werden. Der Energieverbrauch ist ja ein nützlicher Leitindikator der Nachhaltigkeit. In umfangreichen Studien im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramm 44 und von TA-Swiss, Technologiefolgenabschätzungen Schweiz, mussten wir aber feststellen, dass das Energiesparpotential von ICT selten ausgeschöpft wird [3], sondern dass der Einsatz von ICT vor allem zu Zeiteinsparungen und andern Zwecken (sogenannten «co-benefits» wie Komfortsteigerungen) gebraucht - respektive missbraucht - wird. Das Leitmotiv unserer Forschungen war das sogenannte Spreng-Dreieck, eine graphische Darstellung der Substituierbarkeit von Energie, Zeit und Information. Wer mehr darüber wissen will, lese «Für Wissensdurstige» im ETH-Klimablog (siehe weiterführende Links zur Meldung).
Wir mussten beobachten, dass auf volkswirtschaftlicher Ebene der Einsatz von ICT oft auch einen Mehrverbrauch an Energie zur Folge hatte, obwohl auf der technischen Ebene hier und dort Effizienzsteigerungen erzielt wurden. Das Konzept des Rebound-Effektes greift im Fall vom Energiesparen durch den Einsatz von ICT zu kurz. Der Rebound-Effekt besagt, dass technische Energieeinsparungen sich oft auf volkswirtschaftlicher Ebene nicht zu 100 Prozent niederschlagen. Dies weil zum Beispiel das eingesparte Geld für andere Aktivitäten eingesetzt wird, die ihrerseits Energie benötigen. ICT verändern jedoch das Wirtschaften ganz allgemein. So können ICT neue Wirtschaftszweige begründen, durch Automation zum Verlust von Arbeitsplätzen in alten Prozessindustrien führen, oder ganz allgemein die Bedeutung von Arbeit zugunsten von Kapital verringern. ICT können Arbeit auch sinnvoller machen, indem sie den Menschen repetitive Arbeit abnimmt. Es ist deshalb notwendig, die Veränderungen, die durch den Einsatz von ICT verursacht werden, möglichst komplett zu erfassen und die Energieauswirkungen all dieser Veränderungen zu berücksichtigen.
Mir scheint, das etwas aus der Mode gekommene Konzept des qualitativen Wachstums sei der passende Leitgedanke: Nur ein selektives Wachstum, das Beschleunigung und quantitatives Wachstum vermeidet und die Zunahme von Musse, Geist und Qualität anstrebt, kann den ICT-Wachstumsmotor in eine nachhaltige Richtung lenken. Man kommt um das bekannte Bündel von Lenkungsmassnahmen, wie Steuern, Vorschriften, gezielte Forschungsförderung sowie Aus- und Weiterbildung und kluge Informationsmassnahmen (z.B. Energieverbrauchlabels), nicht herum.
[1] Semester- und Diplomarbeiten zum Thema «Stromverbrauch von Computern aus energiewirtschaftlicher Sicht» von B. Künzler, R. Moser und L. Weber. Publiziert: Spreng D., Computer as Energy Consumers, Energy Policy, Vol. 19, No. 7, 1991.
[2] Aebischer B., 2011. Kompetenzzentrum Energie und Informationstechnik 2009-2011. Schlussbericht, 20. Dezember 2011.
[3] Spreng D. und Hediger W., Energiebedarf der Informationsgesellschaft, Verlag der Fachvereine Zürich, 1987. Spreng D. et al., Technologiefolgen-Abschätzung: Energetische Bedeutung der LESIT Technologien, Ein Synthesebericht und drei Teilberichte, Schweizerischer Wissenschaftsrat, Bern 1996. Spreng, D., Technology Assessment: Impact of Hightech Engineering Research on Energy Consumption, Technological Forecasting and Social Change, 69, 819-831, 2002.
Prof. Daniel Spreng (Quelle: ETH-Zukunftsblog)
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Spreng-Dreieck
Erklärungen zum Spreng-Dreieck (am Ende des Beitrags)
ICT4S
«ICT for Sustainability»-Konferenz
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