Freitag, 20. Mai 2011 / 20:10:00
Strauss-Kahn entfacht US-französischen Medienkrieg
Paris - Zwischen den Medien der USA und Frankreich ist ein heftiger Streit entbrannt. In Frankreichs ist man schockiert über die Form, wie die US-Justiz den Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn behandelt, dem man die Vergewaltigung einer Hotelbediensteten vorwirft.
In den USA beschuldigt man die französischen Medien hingegen der Vertuschung. Dass zwei Denkweisen aufeinanderprallen, die nicht kontrastreicher sein könnten, schildert Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg im pressetext-Interview.
Unrasiert und Handschellen undenkbar
«In den USA lassen private Verfehlungen einen Politiker schnell verbrennen. In Frankreich waren diese hingegen nie Thema. Seitensprünge hat man stets verziehen und blieben wie etwa bei Ex-Präsident Francois Mitterands Konkubine stets ein offenes Geheimnis, über das man nie berichtete», so Grillmayer. Entsprechend zeigte die ganze Welt das Video des unrasierten Strauss-Kahn, der in Handschellen von der New York Police zu seinem Gerichtstermin geführt wurde - nicht aber im französischen Staatsfernsehen.
Aufgrund der Schwere der Anschuldigung und der internationalen Aufmerksamkeit hält Grillmayer Strauss-Kahn allerdings für einen Sonderfall. Der Soziologe Eric Fassin erkennt bereits einen Umbruch in Frankreich, das nun seinen «ersten grossen Sex-Skandal» erlebe. Ähnlich wie in der französischen Kunst nach der Polanski-Affäre 2009 gebe es nun auch in der Politik «keinen moralischen Freifahrtsschein» mehr.
Täter- statt Opferschutz
Dass das französische Tabu tatsächlich fällt, glaubt Grillmayer jedoch nicht. «Quer durch die französischen Medienlandschaft empörte man sich bisher nur, wie die USA mit der Unschuldsvermutung umgeht», so der Experte. Ebenso stellte auch «La Liberation»-Herausgeber Nicolas Demorand bereits klar, weiterhin das Privatleben der Politiker achten zu wollen. Dies sei ein «grundlegendes demokratisches Prinzip, ohne dem die Gerüchteküche in Qualitätsmedien einziehen würde».
Ausser einer unangebrachten Beschützung Strauss-Kahns bezichtigen die US-Medien ihre französischen Kollegen auch, die Identität des Zimmermädchens als mutmassliches Opfer veröffentlicht zu haben. In den USA war dies nicht der Fall. Grillmayer führt dies auf den Verschwörungsglauben der Franzosen zurück. «57 Prozent der Bevölkerung bezweifeln die Echtheit der Vorwürfe und glauben, dass es sich um ein Komplott handelt. Deshalb ist das Interesse an der Frau, die daran beteiligt sein könnte, entsprechend gross.»
Politisches Aus besiegelt
Wie sich die Stimmungslage in Frankreich bei einer Erhärtung der Vorwürfe und einer Verurteilung ändert, bleibt vorerst abzuwarten. Eine politische Rolle dürfte Strauss-Kahn, der bisher als sozialistischer Gegenkandidat für Nicolas Sarkozy gehandelt wurde, jedoch auch in Frankreich nicht mehr spielen. «Zwar wächst in Frankreich im Fall der Unschuldigkeit schnell Gras über eine Sache. Da ein Gerichtsverfahren jedoch wahrscheinlich geworden ist, verbietet dessen Zeitrahmen die Teilnahme am Wahlkampf für 2012», so der Frankreich-Experte.
dyn (Quelle: pte)
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