Donnerstag, 22. Januar 2009 / 20:39:15
Kein Spass…
Wenn Sie Barack Obama diese Woche genau beobachtet haben, dann konnten Sie sehen, wohin sich Amerika gerade bewegt.
Er war auf all den Paraden und Partys, die zu seinem Amtsantritt veranstaltet wurden. Er war nett zu allen Gratulanten und tanzte glücklich mit seiner Frau.
Als er auf das Podium stieg, um die erste Rede als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu halten, wirkte sein Gesicht nicht mehr fröhlich.
Grund zu feiern?
Eigentlich hat er ja jeden Grund zu feiern, da er nun der mächtigste Mann der Welt ist und als erster afroamerikanischer US-Präsident bereits Geschichte geschrieben hat.
Eine Umfrage von CNN/Opinion Research Poll ergab, dass 84 Prozent der Amerikaner, also auch die, die ihn nicht gewählt haben, von seinem Auftreten beeindruckt sind. Die Aufregung um ihn ist weltweit zu spüren. Aber einmal mehr schien Obama bei den bedeutenden Momenten – bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur für die Demokratische Party im August, dem Wahlsieg im November und jetzt zum Amtsantritt – als einziger keinen Spass zu haben.
Wenig um seinen Triumph gekümmert
Jedes Mal war seine Rede erstaunlich düster. Diese Woche hat er sich bemerkenswert wenig um seinen Triumph gekümmert, umso mehr aber um die Probleme, denen Amerika nun gegenüber steht. «Sie sind ernst und es sind viele. Sie werden nicht einfach und schnell zu lösen sein.»
Ein Grund, warum Obama scheinbar nicht von der allgemeinen Euphorie angesteckt ist, mag das Ungleichgewicht zwischen den hohen Erwartungen der Amerikaner und der enormen Menge an Problemen sein.
Bleiben wird nur der Schmerz
Amerikas Übereifer bei zwei Kriegen und eine sich ständig verschärfende Rezession sind kein Grund zum Feiern. Diese Party wird schnell enden und bleiben wird nur der Schmerz.
Zum Grossteil galten die Feierlichkeiten seiner Hautfarbe. Eine weitere Umfrage von CNN ergab, dass 69 Prozent der Afroamerikaner in den USA glauben, dass seine Wahl den Höhepunkt der Civil Rights-Bewegung markiert. Sie sehen darin den hoffnungsvollen Ausspruch von Martin Luther King erfüllt: «I have a dream».
Obamas Wahl war ein Meilenstein. Aber bedeutet das, dass Jahrzehnte von Rassismus in den USA nun Geschichte sind? Man kann es nicht oft genug wiederholen: die Erwartungen sind vielleicht zu hoch. Wir haben Obamas breites und fröhliches, aber manchmal auch ironisches Lachen diese Woche oft gesehen und werden es in nächster Zeit noch öfter sehen. Jetzt aber hat er erst einmal einiges an Arbeit vor sich.
Jonathan Mann - POLITICAL MANN
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «Political Mann» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.
CNN-Kolumne von Jonathan Mann
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Wie bereits angekündigt, heisst die Sendung auf CNN ab dieser Woche «Political Mann». Das Format und die Sendezeit bleiben gleich.
The White House
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