Sonntag, 9. November 2008 / 10:40:53
In Zürich stossen Drogentests auf reges Interesse
Zürich - In Zürich können Konsumenten von Drogen seit zwei Jahren ihren Stoff jeweils am Dienstagabend im Drogeninformationszentrum (DIZ) testen und sich beraten lassen. Der Dienst ist in der Schweiz einzigartig, anonym, gratis und gefragt.
Nicolas, ein Familienvater, anfang Vierzig, konsumiert ab und zu mit seiner Frau zusammen Ecstasy, etwa wenn sie tanzen gehen. «Um abzuschalten und Spass zu haben», wie er sagt. Der Thurgauer kauft meist im Voraus eine kleine Menge der Pillen bei einem Verkäufer, dem er vertraut.
Ende Oktober musste sich Nicolas an einen neuen Dealer wenden, und er hatte kein gutes Gefühl dabei. Der Thurgauer nahm deshalb den Zug nach Zürich, wo er vom Drogeninformationszentrum wusste. «Ich möchte nichts riskieren und will wissen, ob die Pillen, die ich schlucke die richtige Zusammensetzung haben», sagt Nicolas.
Nach drei Tagen das Resultat
Der Sozialarbeiter Alex Bücheli empfängt Nicolas im DIZ im Zürcher Kreis 5. Bücheli fragt nach, wo, wann und zu welchem Preis er das Ecstasy gekauft habe. Dann führt er mit Nicolas - wie mit jedem anderen - ein obligatorisches Gespräch durch und füllt einen Fragebogen aus.
Anschliessend legt der Sozialarbeiter die Pille in einen Couvert und beschriftet dieses mit einer Nummer. Am Freitag, drei Tage später, kann Nicolas telefonisch im DIZ anrufen, um das Untersuchungsergebnis zu erfahren.
Wie Nicolas wenden sich fünf bis sechs Personen jeweils am Dienstagabend ans DIZ, das einzige Drogeninformationszentrum dieser Art in der Schweiz. Es befindet sich in der Nähe des Platzspitz, in einer von Dealern häufig frequentierten Strasse, und ist zwischen 17.30 und 20.30 Uhr geöffnet.
Seit Herbst 2006 wurden gut 300 Leute dort beraten. Zwei Drittel der Kunden kommen, um Pillen testen zu lassen - vor allem Ecstasy, Amphetamine und Kokain, der Rest sucht nur eine Beratung. Die Leute sind beruflich mehrheitlich gut integriert, meist schweizerischer Herkunft und im Schnitt 33 Jahre alt.
Gefährliche Pillen im Internet
Das DIZ ergänzt die Arbeit der Jugendberatung Streetwork, welche seit sieben Jahren an zehn Wochenenden im Jahr in Zürcher Clubs Drogentests anbietet. Ins Leben gerufen wurden diese Angebote vom städtischen Sozialdepartement. «Zuvor hatten wir kaum Angaben darüber, wer unter der Woche solche Pillen konsumiert», sagt Donald Ganci, Direktor von Streetwork.
Das DIZ fördere den Drogenkosum nicht, verteidigt Ganci das Angebot. Diesen Vorwurf muss sich die Beratungsstelle etwa von der SVP gefallen lassen. «Im Gegenteil», sagt er, «wir animieren die Leute, sich ihren Drogenkonsum gut zu überlegen.»
Bis jetzt wurden bei den vom DIZ in Auftrag gegebenen Tests noch nie gefährliche Substanzen entdeckt. Es kommt aber regelmässig vor, dass es sich bei einer als Ecstasy verkauften Pille in Wahrheit um eine Droge mit den Wirkstoffen 2C-B, m-CPP oder eine Art Medikament handelt. Ein weiteres häufiges Problem sind überdosierte Pillen.
Werden gefährliche Pillen entdeckt, publiziert das DIZ diese auf seiner Internetseite und warnt vor dem Konsum. Es informiert aber auch die Polizei, die Rettungsdienste und die Club-Betreiber.
Jean-Marc Heuberger (Quelle: sda)
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