Dienstag, 14. Oktober 2008 / 17:06:46
McCains Gratwanderung mit aggressivem Wahlkampf
Washington - Es ist der Albtraum aller Wahlkampfstrategen: Der Wahltag rückt näher, und die Umfragewerte des Kandidaten stürzen immer weiter.
Drei Wochen vor dem Votum der Bürger in den USA ist der Republikaner John McCain weit hinter den demokratischen Hoffnungsträger Barack Obama zurückgefallen. Bei seinen Anhängern liegen die Nerven blank. So erbittert ist der Wahlkampf inzwischen, dass politische Gegnerschaft in offenen Hass umschlägt.
Auf McCains Wahlkundgebungen kochten in den vergangenen Tagen regelmässig die Emotionen über. Erregte Zwischenrufer schmähten Obama wahlweise als Verräter, Lügner, Terroristen oder Sozialisten.
«Lasst die Hunde raus»
«Ab mit seinem Kopf», rief ein Parteianhänger in Wisconsin. «Lasst die Hunde raus», stand auf einem Wahlbanner in Pennsylvania. Der für den Schutz der Kandidaten zuständige Geheimdienst nahm Ermittlungen auf, nachdem ein Besucher auf einer republikanischen Kundgebung in Florida rief: «Tötet ihn.»
Als eine Wählerin auf einer McCain-Veranstaltung sagte, Obama sei «so ein Araber», sah sich McCain zum Widerspruch veranlasst: «Nein, Senator Obama ist ein anständiger Familienmann.»
Geister, die McCain rief
Ein wenig wirkte es zuletzt so, als sei McCain selbst erschrocken über die Aggressivität des Wahlkampfs. Dabei hatten er und seine Strategen einiges getan, um die Stimmung anzuheizen: Weil sie mit Sachthemen nicht punkten konnten, setzen sie auf Plan B im Wahlkampfdrehbuch: Attacken auf den Charakter des Gegners.
In einem Fernsehspot der Republikaner heisst es: «Barack Obama: Gefährlich, unehrlich, heuchlerisch, respektlos». In einem anderen Werbefilmchen sagt der Sprecher: «Barack Obama - zu riskant für Amerika.» McCains Vizekandidatin Sarah Palin warf Obama vor, «nicht dieselben amerikanischen Werte zu haben wie wir».
Anhänger wollen Angriffslust
Kurz vor dem letzten TV-Duell mit Obama, das für Mittwochabend geplant ist, dämpfte McCain seine Rhetorik und rief seine Anhänger zu einem «respektvollen Wahlkampf» auf.
Für McCain ist die aggressive Taktik ein Spiel mit dem Feuer. Seine Anhänger verlangen Angriffslust und Durchhaltebereitschaft, die moderaten Wähler der bügerlichen Mitte werden dadurch aber eher verprellt.
Parteifreunde suchen Distanz
Ein sicheres Anzeichen für die kritische Lage von McCains Wahhlkampf ist der Umstand, dass sich unerbetene öffentliche Kommentare von Parteifreunden häufen.
Der republikanische Ex-Gouverneur von Michigan, William Milliken, sagte der Tageszeitung «Grand Rapid Press»: «Das ist nicht der John McCain, den ich einmal unterstützt habe. Ich bin enttäuscht über diesen Unterton und die persönlichen Angriffe.»
Zeit rennt davon
Der Republikener-Vorsitzende im Staat Michigan, Saul Anuzis, sagte der «New York Times»: «Unsere Wahlkampfbotschaft kommt nicht an, und uns rennt die Zeit davon.»
Mit einem radikalen Vorschlag wartete der Kolumnist William Kristol auf, einer der einflussreichsten Vordenker der US-Konservativen: Er forderte McCain am Montag auf, kurzerhand sein Wahlkampfteam zu feuern: «Der McCain-Wahlkampf funktioniert kaum mehr, seine Kombination aus strategischer Zusammenhangslosigkeit und organisatorischer Inkompetenz ist giftig.»
von Peter Wütherich, afp (Quelle: sda)
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