Mittwoch, 2. Juli 2008 / 12:43:06
Diffamierender Dorfklatsch bei Google Earth
Schötz LU - In seinem Frust war ihm die neue Technologie gerade recht: Ein Unbekannter hat seine Ressentiments über die Luzerner Gemeinde Schötz auf Google Earth veröffentlicht - weltweit einsehbar. Nun ermittelt die Polizei wegen Diffamierung.
Die Gemeinde Schötz im Luzerner Hinterland mit ihren rund 3300 Einwohnern bezeichnet sich selbst auf ihrer Homepage als aufstrebend und lebhaft. Sie stehe «für eine offene Kommunikation und neuzeitlichen Anschauungen».
Möglicherweise hat da einer die «offene Kommunikation» zu wörtlich genommen.
Denn auf Google Earth waren plötzlich ungewohnte Informationen über Schötz zu finden: Bilder von Häusern mit Kommentaren über ihre Bewohner.
Da war etwa ein «verwuchertes» und wegen Erbstreit «verlottertes» Haus zu sehen. Oder ein «Scheidungshaus», ein «Jugohaus» und eines, das von einer «dunkelhäutigen Familie» bewohnt wird.
Als erster hatte der «Willisauer Bote» den Fall des globalisierten Dorfklatsches aufgegriffen. In seinem Bericht vom 17. Juni 2008 wies er daraufhin, dass alle diese Beschreibungen vom selben User hochgeladen worden seien, der sich unter dem Pseudonym «halihalo» verberge.
Für Gemeindepräsidentin eine «absolute Frechheit»
Für die Schötzer Gemeindepräsidentin Ruth Iseli-Buob war das eine «absolute Frechheit». Es scheine, als sei beinahe jedes Haus in Schötz fotografiert worden, sagte sie gegenüber dem «Willisauer Boten». Während der Gemeinderat dem Datenschutz grösste Beachtung schenke, seien hier persönliche Angaben «bis zur Unwahrheit» für jedermann zugänglich.
Inzwischen hat Google Earth die beanstandeten Bilder und die dazu gehörenden Bemerkungen vom Netz genommen. Nachdem der Fall bekannt wurde, nahm auch die Luzerner Kantonspolizei ihre Ermittlungen auf. Der Sprecher der Strafuntersuchungsbehörden, Simon Kopp, bestätigte am Mittwoch einen Bericht der «Neuen Luzerner Zeitung».
Antirassismusgesetz
Die Ermittlungen seien von Amtes wegen aufgenommen worden. Es handle sich um ein so genanntes Vorprüfungsverfahren. Es geht vor allem um den Verdacht, dass der unbekannte Internetakteur mit gewissen Bemerkungen möglicherweise gegen das Antirassismus-Gesetz verstossen hat.
Aufgrund der Ermittelungen der Polizei, so Kopp, werde das für den Fall zuständige Amtsstatthalteramt Willisau über das weitere Vorgehen entscheiden. Erwartet werden laut Kopp neben einer Anzeige der Gemeinde auch Strafanzeigen einzelner Bewohner von Schötz, die von den Veröffentlichungen auf Google Earth betroffen sind.
fest (Quelle: sda)
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