Donnerstag, 14. Februar 2008 / 11:51:45
Nur ein Mahnmal für die Opfer
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Junge Gewalttäter nehmen in der Medienberichterstattung und der politischen Diskussion einen immer prominenteren Platz ein. Auch die Zahlen der Kriminalstatistiken und Notaufnahmen von Spitälern bestätigen den Trend, dass Übergriffe zwar nicht häufiger, aber brutaler werden.
Einer der letzten solcher Vorfälle war der Mord an der Fasnacht in Locarno, als drei alkoholisierte, im Tessin aufgewachsene aus Bosnien und Kroatien stammende Jugendliche einen zufällig ausgewählten 22-Jährigen in einer dunklen Gasse nieder prügelten, halbtot traten und ihn so liegen liessen. Der Politologiestudent erlag am folgenden Tag im Spital seinen schweren Verletzungen.
Die drei Mörder erwartet der Prozess, während die Polemiken hoch fliegen. Man fordert – völlig gerechtfertigt – harte Strafen und erwartet von diesen Strafen auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle andere Täter. Doch diese Wirkung dürfte eher illusorisch sein. Denn dies würde voraussetzen, dass solche Taten mit Bedacht begangen, die möglichen Konsequenzen schon im Voraus einkalkuliert werden.
Nimmt man den Mord im Tessin als Fallbeispiel, ist dies offensichtlich nicht der Fall. Drei junge Männer saufen sich durch den Abend. Alkoholisiert und scheinbar immer aggressiver gestimmt nehmen sie eine Abkürzung durch eine dunkle Gasse, wo ihnen ein einzelner junger Mann entgegen kommt. Vielleicht streift er sie, vielleicht findet nicht einmal ein Berührung statt. Egal. Er ist ein Blitzableiter für ihren diffusen Frust – sein Schicksal ist besiegelt.
Es wurde vor kurzem von Neurologen festgestellt, dass ausgeübte Gewalt in mancher Menschen Gehirn ähnliche Hochgefühle wie Drogen auslösen kann. Das Opfer wird praktisch «konsumiert», ein rücksichtsloser egoistischer Akt der einen Menschen verletzt am Boden zurück lässt, diesen womöglich das Leben kostet.
Wie in diesem Fall, wo die drei Täter noch in der gleichen Nacht gefasst wurden. Die drei, laut einigen Berichten vorbestraft, waren in der Folge ein kläglicher Anblick. Nüchtern realisierten sie vermutlich erst richtig, was sie sich angetan hatten. Die Konsequenzen für das Opfer und dessen Angehörige hingegen interessierte sie vermutlich weniger oder gar nicht.
Denn dieser Mord war nicht ein Ausrutscher, ein Versehen, das im Suff passierte. Es war gezielte Aggression, das Erhöhen von sich selbst über das Opfer, eine grausame, selbstsüchtige, rücksichtslose Tat, die hart bestraft werden muss. Es fragt sich aber, wie weitere solche Taten verhindert werden können.
Und hier kommt man auf rutschiges Geläuf. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die Herkunft der Täter hingewiesen und der überproportionale Anteil von Delinquenten mit diesem ethnischen Hintergrund, zeigt eine kulturelle Kluft auf, einen Graben, der schon in frühester Kindheit aufgerissen wird und sich vielfach immer weiter vertieft.
Diese Differenzen sind meist schon in der Schule sichtbar und es müsste überlegt werden, ob unsere Gesellschaft nicht bereits hier intervenieren sollte. Nach der Pubertät ist bei den meisten Menschen die Persönlichkeitsstruktur festgelegt – danach noch etwas schrauben zu wollen ist aussichtslos.
Wenn, wie bei den Tätern von Locarno, die Impulskontrolle nach zwei, drei Gläsern ausgeschaltet und Gewalt als erstbeste Lösung für alle möglichen Probleme und den Frustabbau eingebaut ist, können auch strenge Strafen nur noch die bescheidene Befriedigung bringen, dass diese «defekten» Menschen aus dem Verkehr gezogen sind.
Frag sich nur, auf welcher Ebene, bei welchem Problem-Level die Intervention des Staates stattfinden soll und welche Mittel zur Verfügung stehen. Die Furcht vor einer Clockwork-Orange-Gesellschaft wäre sicher nicht unberechtigt, aber es muss auch daran gedacht werden, dass nur eine verhinderte Tat als Erfolg gewertet werden kann. Die Bestrafung des Täters ist nie ein Triumph, sondern nur ein Mahnmal an ein unschuldiges Opfer, das wir nicht vor Gewalt und Tod haben bewahren können.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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