Montag, 14. Januar 2008 / 11:45:43
Ohne Worte keine Bilder
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Die «Golden Globes» dieses Jahres waren eine der nüchternsten Angelegenheiten seit Menschengedenken, wenn es um Hollywood-Preisverleihungen geht. Die ansonsten nach den «Oscars» glanzvollste Sause in der Unterhaltungshauptstadt der Welt, verkam zu einer Pressekonfernz mit den Stars nur im Publikum, aber nicht auf der Bühne.
Keine witzigen Ansagen, keine tollen Kostüme, kaum Glitter und Glamour... und das alles, weil die Schreiberlinge mehr Geld wollen? Sieht so aus. Doch dieser Streik macht nur auf einen Mechanismus aufmerksam, der fast in jeder globalen Industrie zugeschlagen hat. Konkret geht es darum, dass die multinationalen Produktionsfirmen versuchen – wie es eben so üblich ist – die Bezahlung der Angestellten zu minimieren.
Dies geschieht natürlich im Namen des Shareholder-Value, ist in Wahrheit aber nichts als der Versuch der CEOs ihre eigenen Taschen möglichst prall zu füllen und diese Rafferei mit höheren Gewinnen zu rechtfertigen. Im konkreten Fall geht es darum, dass in den letzten Jahren durch die neuen Technologien, die zum grössten Teil auf dem Internet basieren, sich völlig neue Vertriebswege aufgetan haben.
IPTV, TV on Demand, direkte Downloads auf den Computer, Handy-TV. Jetzt, nachdem die Industrie nach Jahren der Verweigerung langsam begriffen hat, dass sich hier riesige neue Ertragsmöglichkeiten auftun, erhoffen sich diverse CEOs in den kommenden Jahren wahre Geldregen für ihre Firmen. Doch um diese bloss nicht zu schmälern, versuchen sie, die Drehbuchautoren ganz von diesen Ertragsfeldern auszuschliessen.
Die Logik dieser Diskriminierung ist bestechend: Drehbuchautoren sind bereits jetzt recht lausig bezahlt. Im Gegensatz zu Produzenten und Regisseuren gelten sie fast als der Bodensatz der Kreativ-Industrie. Denn wer weiss schon, wer zum Beispiel Melissa Mathison ist? Eben. Aber jeder kennt E.T. und Steven Spielberg.
Aus dieser Logik heraus entschloss sich die Vereinigung der Film- und Fernsehproduzenten AMPTP, diese scheinbar so überflüssigen Schreiberlinge an die Wand zu drücken und sie nicht nur nicht an den Einkünften durch neue Medien zu beteiligen sondern die seit 1960 erkämpften Verbesserungen rückgängig zu machen.
Den Drehbuchautoren, die im Schnitt ein Jahreseinkommen von 62'000.-- Dollar haben, blieb so nicht viel anderes übrig, als zu streiken, wollten sie nicht verhungern. Der Effekt ist dramatisch: Mit dem Zuklappen ihrer Laptops, dem Runterfahren der PCs und dem Wegstellen der Schreibmaschinen kam die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie langsam aber sicher zum Erliegen.
Um Weihnachten herum wurden die letzten neuen Folgen der wichtigsten Fernsehserien ausgestrahlt und schon vorher kamen die Late-Night-Talk-Shows zum Erliegen. Film-Produktionen kommen ins Stocken, weil niemand mehr da ist, der Dialoge poliert und die Scripts anpasst. Die Underdogs der Industrie, die vermeintlicherweise ja niemand braucht, bringen die ganze hollywoodsche Geldmaschine zum Straucheln.
Erste kleinere Produktionsfirmen haben bereits eigene Deals mit der Writers Guild abgeschlossen, weil sie scheinbar einsehen, dass ohne die Autoren nichts geht. Die Produzenten-Vereinigung schiesst unterdessen sehr scharf zurück und beschuldigt die Autoren, unrealistisch und geldgierig zu sein. Und selbst unter den Autoren macht sich langsam Unzufriedenheit breit, nicht zuletzt, weil neben den Forderungen um die Bezahlung für die Auswertung in neuen Medien auch gewerkschaftstaktische Ansprüche gestellt werden.
Aber die Angst, dass nach den «Golden Globes» auch noch die «Oscars» Opfer des Streiks werden könnten, wird die Streithähne eventuell wieder an einen Tisch bringen. Wenn nicht, könnte es bald auch bei uns gähnend leer auf den Bildschirmen und Leinwänden werden.
Zyniker meinen unterdessen, dass die Amerikaner dabei seien, das Buch ausgerechnet wegen eines Autorenstreiks neu zu entdecken... und vielleicht auch bald wir Europäer.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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