Montag, 13. August 2007 / 10:36:20
Tiffany Géroudet - Kampf an die Weltspitze
Hoffnungsvollste Nachwuchssportlerin der Westschweiz 2006, Juniorenweltmeisterin – Tiffany
Géroudet erkämpft sich Ihren Weg an die Weltspitze. Der Sporthiklfe erklärte die sensible
und zielorientierte Degenfechterin im Interview, dass sie sich dafür den Siegeshunger erst aneignen musste.
Sporthilfe: Wann hast du angefangen zu fechten?
Géroudet: Bereits im Alter von 5 Jahren. In Sion gibt es viele, die so früh anfangen zu fechten. Am Anfang ist einfach alles nur spielerisch – es geht vor allem um den Spass.
Für ein junges Mädchen ist Fechten nicht unbedingt der naheliegendste
Sport...
Géroudet: Das stimmt. Neben dem Fechten habe ich auch andere Sportarten ausprobiert – bin geschwommen und geklettert. Aber die beiden Sportarten, denen ich immer mit Herzblut nachging, sind Fechten und Reiten.
Warst du schon immer ein Wettkampftyp?
Géroudet: Nein, nicht von Anfang an. Ich hatte anfangs ziemlich Mühe mit dem mentalen Aspekt des Wettkampfs. Auch im Alltag fühlte ich mich bei Prüfungen nicht wohl. Am Anfang war das Fechten für mich vor allem ein Spiel. Mich faszinierte vor allem die Finesse, die Täuschungen des Gegners und die Möglichkeit, ihn zu analysieren. Doch ab einem gewissen Niveau genügt diese Faszination nicht mehr. Man muss begreifen, dass es sich um einen Kampf und nicht um ein Spiel handelt. Früher habe ich einige Wettkämpfe genau aus diesem Grund verloren
– meine Gegner hatten den grösseren
Willen zu gewinnen als ich. Meinen
Fechtmeistern in Sion, Maître Torda
und Maître Ollagnon, den Junioren-
Nationaltrainern, ist es gelungen, den
Siegeswillen in mir zu entfachen. Sie
haben so lange mit mir gearbeitet, bis
mir bewusst wurde, dass es sich im
Wettkampf um ein echtes Duell handelt.
Wie haben deine Trainer das
geschafft?
Géroudet: Ich erinnere mich an die Worte
von Maître Ollagnon an den Elite-
Weltmeisterschaften in Leipzig 2005.
Dort lief es für mich überhaupt nicht
gut. «Warum bist du hier?» hat mich
mein Trainer gefragt. «Du gibst alles
und erreichst tolle Resultate das ganze
Jahr über. Und sobald du an einem
Grossanlass bist, ist alles weg. Dabei
ist es doch genau dieser Moment,
der die Belohnung für deine ganze
Saison sein sollte. Dies ist nicht der
Augenblick, um gestresst zu sein.
Geniess es.» Diese Worte waren genau
richtig für mich. Seither bin ich auch an
den wichtigen Anlässen präsent.
Hast du in den schwierigen Zeiten
einmal mental aufgegeben?
Géroudet:
Nein, nie. Manchmal läuft es einfach
nicht gut. Das kann immer wieder passieren.
Da muss man durch. An den
Junioren-Weltmeisterschaften 2005 in
Linz habe ich gegen eine völlig unbekannte
Italienerin verloren. Ich war enttäuscht,
aber ich habe mich danach
umso mehr reingehängt und ein Jahr
später den Junioren-Weltmeistertitel
geholt.
Hat dich der Sieg an den Weltmeisterschaften
2006 verändert?
Géroudet:
Der Sieg hat mich unglaublich glücklich
gemacht! Ich denke aber, dass
ich mit Titel die Gleiche bin wie ohne.
Die Weltmeisterschaft ist aber ausserhalb
des Fechtsports nur sehr selten
ein Thema, über das ich spreche.
Hoffst du, dich für die Olympischen
Sommerspiele in Peking 2008 zu
qualifizieren?
Géroudet:
Selbstverständlich. Ich weiss aber auch,
dass das nicht einfach wird. Es gibt viele
Fechterinnen, die besser klassiert sind
als ich und für Eurpa gibt es nur zwei
Startplätze. Das Niveau ist sehr hoch.
Es kann gut sein, dass keine einzige
Schweizerin nach China reisen wird.
Nichtsdestotrotz werde ich aber um
einen Startplatz kämpfen.
Wie sieht eine normale Trainingswoche
bei dir aus?
Géroudet: Montags habe ich trainingsfrei.
Am Dienstag startet meine
Trainingswoche. Am Mittwoch
habe ich gleich zwei Einheiten,
eine um 14 Uhr in Sion und
abends eine in Lausanne. Dort treffe
ich auf die besten Genfer, Waadtländer
und Neuenburger Fechter und kann
mit ihnen trainieren. Um Fortschritte zu
machen ist das perfekt. An diesem Tag
komme ich erst sehr spät nach Hause,
was manchmal ein bisschen hart ist.
Am Donnerstag konzentriere ich
mich auf die körperliche Fitness. Am
Wochenende habe ich entweder einen
Wettkampf, oder ich gehe laufen.
Wichtig ist, konstant zu trainieren, sonst
meldet sich sehr schnell der ungeliebte
Muskelkater...
Bekommst du Schule und Training
unter einen Hut?
Géroudet: Ja, ich werde in der Schule diesbezüglich
gut unterstützt. Meine Lehrer versuchen,
mir im Rahmen des Möglichen
zu helfen. Sie orientieren sich am
System der Sportlerklassen. Wenn ich
Hilfe brauche, um etwas nachzuholen,
bekomme ich die auch.
Wie sieht deine finanzielle Situation
aus?
Géroudet: Die Sporthilfe unterstützt mich mit
Stipendien, die mir sehr geholfen haben.
Da ich unter den 25 Weltbesten bin,
unterstützt mich auch Swiss Olympic.
Unser Club wird ausserdem von Air-
Glaciers gesponsert. Und ich habe
einen persönlichen Sponsor, die
Maurerfirma Fardel-Déléze in Sion.
Welches sind für dich sportlich gesehen
die schönsten Momente?
Géroudet: Diejenigen eines guten Treffers, wenn
ich die Gegnerin genau da treffe, wo ich
es vorhatte. Ich erinnere mich an einen
unglaublichen Treffer in Budapest. Ich
habe eine geniale Flèche gesetzt. Ich
war so stolz, dass ich mich zum Maître
umgedreht habe und gefragt habe:
«Haben Sie das gesehen?»
Fechten ist ein unglaublich schneller
Sport...
Geschwindigkeit lässt sich erarbeiten.
Meine Reaktion ist mittlerweile in
allen Lebenslagen sehr schnell. Wenn
ich ein Glas umstosse, kann ich es
auffangen, bevor es fällt. Ich bin in allen
Spielen, bei denen Geschwindigkeit
gefragt ist, wirklich gut. Das fällt
mir besonders bei Kartenspielen auf. Die
kurze Reaktionszeit ist auch der Grund,
warum Fechter gute Autofahrer sind.
Was brauchst du um ausgeglichen
zu sein?
Géroudet: Meine Freunde. Sie sind mir sehr wichtig
und sind in guten und schlechten
Momenten immer für mich da. Ich bin
ein sehr geselliger Mensch. Zum Glück
ist auch die Atmosphäre in meinem
Fechtclub sehr familiär. Das ist für mich
sehr motivierend. Den Ausgleich zum
Sport suche ich in der Natur, vor allem
beim Wandern.
sro (Quelle: Sporthilfe)
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