Montag, 4. Juni 2007 / 20:29:41
Moskau und Peking drücken auf Stimmung
Berlin - Russlands Drohungen gegen die geplante US-Raketenabwehr in Mitteleuropa und ein Dämpfer aus China beim Klimaschutz belasten den bevorstehenden G-8-Gipfel. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel versprüht als Gastgeberin dennoch Optimismus.
Sie muss aber damit rechnen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch in Heiligendamm die offene Konfrontation mit seinem US-Amtskollegen George W. Bush suchen wird. Denn Putin heizte die politische Stimmung im Vorfeld weiter an.
Als mögliche Reaktion auf die US-Pläne für eine Rakentenabwehr in Mitteleuropa schloss der Kreml-Chef nicht aus, dass russische Rakten «neue Ziele in Europa» ins Visier nähmen. Bush war am Montag unterwegs nach Tschechien, wo ein Teil des US-System installiert werden soll.
«Europa im Visier»
«Wenn die Amerikaner einen Teil ihres strategischen Nuklearpotenzials nach Europa verlegen und wir nach Ansicht unserer Militärexperten dadurch bedroht werden, dann sind wir gezwungen, entsprechende Gegenmassnahmen zu unternehmen», sagte Putin in einem am Montag vom Kreml veröffentlichten offiziellen Text eines Interviews.
Putin machte deutlich, dass er die geplante US-Raketenabwehr als ein Element des «strategischen Nuklearpotenzials der USA» werte. «Natürlich müssten wir dann neue Ziele in Europa ins Visier nehmen», sagte Putin wörtlich.
Besorgter Blair
Der britische Premierminister Tony Blair reagierte besorgt auf die Äusserungen. Russland müsse über die Beziehungen zu Europa und zum Westen entscheiden. «Europa hat Bedenken und wird nicht zurückschrecken, diese zum Ausdruck zu bringen», hiess es in London.
Die Nato bezeichnete die Warnung Putins vor einem neuen Wettrüsten in Europa als «nicht hilfreich und nicht erwünscht». Am Abend kritisierten auch die USA die Rhetorik Putins: Diese sei «sehr überraschend» und «nicht hilfreich», sagte ein Sprecher des US-Aussenministeriums. Sie erinnere zudem eher an die Zeiten des Kalten Krieges 1977 als an die Realitäten des Jahres 2007.
«Witz des Jahres»
Die USA wollen in Polen zehn Abfangraketen und in Tschechien Radaranlagen installieren. Die US-Regierung begründet das Abwehrsystem mit der aus ihrer Sicht gestiegenen Gefahr von Raketenangriffen aus dem Iran und Nordkorea.
Die iranische Führung bezeichnete in Teheran das US-Projekt als «Witz des Jahres». Es sei schwer zu glauben, dass die USA nicht wüssten, dass iranische Raketen Europa überhaupt nicht erreichen könnten, sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Laridschani.
China lässt sich nicht einbinden
Der Streit droht nun die Gipfel-Agenda stark zu beeinflussen. Merkel will hingegen die Themen Klimaschutz und Afrikahilfe in den Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen der sieben führenden Industriestaaten und Russlands (G-8) stellen.
Merkels Absicht, Ziele beim Klimaschutz festzuschreiben, erhielt am Montag aber einen weiteren Dämpfer. Nach den USA kündigte auch China - Gast der G-8 und Nummer zwei der Luftverschmutzer - an, verbindliche Vorgaben abzulehnen.
Merkel sieht trotzdem «durchaus noch Bewegung» bei den wichtigen Gipfelthemen. Es werde davon ausgegangen, dass «wichtige Schritte» vereinbart würden, sagte der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin.
Ziel sei weiter, dass alle Klima-Initiativen und Aktionen, die mit dem Gipfel verbunden seien, am Ende in einen Prozess auf UNO-Ebene mündeten. «Wir werden natürlich noch bis in die letzte Minute um konkrete Formulierungen kämpfen», sagte Wilhelm.
ht (Quelle: sda)
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