Donnerstag, 19. April 2007 / 06:00:00
Richard Ernst: 200 Dollar und ein Nobelpreis…
«Im Grunde genommen sind wir alle Forscher», ist Richard Ernst überzeugt. Der Nobelpreisträger für Chemie von 1991 hat sein Forschungsgebiet seit dem Abschied von der ETH erweitert: Er beschäftigt sich heute vorwiegend mit der Frage nach dem Warum und Wohin unseres - auch wirtschaftlichen - Tuns. (ps/IFJ)
An einem «venture apéro» in Winterthur machte der gebürtige Winterthurer kein Geheimnis daraus, dass ihm viele aktuelle Entwicklungen nicht gefallen. Trotzdem hält es Richard Ernst mit dem Philosophen Karl Popper: «Optimismus ist Pflicht». Und er ist überzeugt, dass sich die Wissenschaftler auch in die gesellschaftliche Diskussion einmischen müssen.
Eine bahnbrechende Erfindung
Den Rückblick auf seine erfolgreiche Karriere als Wissenschaftler, die ihn zur höchsten möglichen Ehre geführt hat, würzte Richard Ernst mit viel Humor und selbstironischem Augenzwinkern. Für das Patent auf seine entscheidende Erfindung in seiner Spezialität, dem Gebiet der magnetischen Resonanzspektroskopie habe er von seinem amerikanischen Industriepartner 200 Dollar erhalten – und 1991 dann auch noch den Nobelpreis für Chemie: «Die Fachwelt spürte, dass wir – auch meine Mitarbeiter gehören dazu – etwas Wichtiges herausgefunden hatten –wofür es aber gebraucht werden könnte, war damals noch niemandem klar.»
Vom Wert der Grundlagenforschung
Diese Frage ist inzwischen mehr als beantwortet: Richard Ernst hat mit der Entwicklung der zweidimensionalen NMR-Spektroskopie wesentlich dazu beigetragen, dass heute MRI-Untersuchungen aus der Medizin nicht mehr wegzudenken sind. Damit ist für den Winterthurer Nobelpreisträger auch eindeutig die Wichtigkeit der zumindest auf den ersten Blick so genannt «nutzlosen» Grundlagenforschung erwiesen.
Zusammenarbeit heisst «zusammen»
In der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung betont Richard Ernst, der ein Forscherleben lang auch mit der Industrie verbunden war, vor allem das «Zusammen», den gegenseitigen Austausch: «Wer als Professor lehrt und forscht, sollte unbedingt auch Industrieerfahrung haben – aber auch die Forschung Verantwortlichen in der Wirtschaft dürfen den Kontakt zur akademischen Forschung nicht verlieren!»
Die Geburt des Silicon Valley miterlebt
Als junger Post-Doc-Wissenschafter hat Ernst in den 60er-Jahren an der Stanford-University in Kalifornien dieses Zusammengehen erlebt: Damals entstand gerade der Standford-Businesspark, die Keimzelle des heutigen Silicon Valley. Dort hat er in Palo Alto für eine der ersten Firmen gearbeitet, für die er vor Ort und dann auch von Zürich aus – Ernst kehrte 1968 an die ETH Zürich zurück – seine wichtigsten Patente erarbeitete.
Defizite in der Verantwortung
Seit seinem Rückzug aus der aktiven Forschung verfolgt Richard Ernst die Entwicklungen mit kritischer Distanz. Die Neugier, für ihn die Triebfeder der Forschung und des Fortschritts, muss immer einhergehen mit der Verantwortung. Und hier ortet der Nobelpreisträger im «kreativen Unruhestand» einige Defizite.
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