Dienstag, 9. August 2005 / 10:28:44
Der Fiebertraum vom Mars
Wie sinnvoll ist die bemannte Raumfahrt? Der jüngste Shuttle-Flug stellt diese Frage wieder aufs Neue: Reparaturen am Hitzeschild, weitere, unreparierte Schäden, dann die Landeverzögerung wegen schlechten Wetters. Sieben Astronauten, die hoffen, dass endlich das Wetter gut, eine Landung in Cape Canaveral möglich und vor allem, dass der Hitzeschild halten wird.
Doch selbst nach der Landung der 'Discovery', bleiben fragen offen. Kann die Raumfähre im September wieder starten? Wie sicher sind die Isolierungen der Treibstofftanks? Kann die Internationale Raumstation fertig gestellt werden, bis im Jahr 2010 die Space-Shuttles endgültig ausgemustert werden?
Mike Griffin, der neue NASA-Administrator, sieht sich hier diversen Problemen gegenüber... wobei dies noch die kleineren sind.
Der 800-Pfund-Gorilla, der in seinem Büro hockt, dürfte nämlich das von Präsident Bush initiierte Mars-Programm sein, und das Ziel, im Vorfeld davon eine ständige Basis auf dem Mond zu errichten.
Nun ist die bemannte Eroberung des Weltraums ein sehr teurer Spass, wenn er verwirklicht werden soll. Es wird von 500 Milliarden US-$ geredet.
Da diese aber über Jahrzehnte verteilt sind, kann keineswegs so grosszügig angerichtet werden, wie die Zahl suggeriert. Viele unspektakuläre aber sinnvolle Nasa-Programme werden diesen fiebrigen Weltraumträumen geopfert. So ist es durchaus möglich, dass die Beobachtung der Atmosphäre und so auch des Treibhauseffekts aus dem Weltall reduziert wird – durchaus im Interesse der Bush-Regierung.
Es wird sogar spekuliert, den Datenempfang der Voyager-Sonden einzustellen: Ausgerechnet jetzt, als sie den Rand unseres Sonnensystems erreichen. Das ist etwa so, als wäre Columbus zehn Kilometer vor der Küste Amerikas beigedreht.
Auch dürfte es wesentlich weniger Geld für unbemannte Sonden und Erkundungsmissionen geben. Dies ausgerechnet in einer Zeit, als diese Roboter immer besser, immer effizienter und zuverlässiger werden. Der Rotstift droht überall.
Am Ende reduziert sich alles auf die Grundsatzfrage, ob Weltraumforschung zum Wissensgewinn oder zur Erbauung der Öffentlichkeit betrieben wird. Scheinbar ist nun wieder letzteres der Fall – die Mehrkosten für bemannte Raumfahrt wären besser woanders investiert, wenn nicht Propaganda und Effektheischerei primäre Ziele sind. Doch es ist offensichtlich viel visionärer, ein paar Leute irgendwo hin zu schicken, als das Wissen der Menschheit zu erweitern. Dies, ungeachtet der Risiken.
Man stelle sich vor, dass die Mars-Mission dereinst, nach zwanzig Jahren Verzicht auf Wissensgewinn, scheitert: Astronauten ersticken, gestrandet auf dem Mars. Die Konsequenzen wären verheerend. Wenn hingegen eine Sonde fest steckt, ein Roboter kaputt geht, dann ist das zwar bedauerlich, aber keineswegs katastrophal.
Sicher, bemannte Raumfahrt ist 'sexy', aber das heisst noch lange nicht, dass sie auch sinnvoll ist. Zumindest noch nicht heute, nicht solange das Geld knapp ist und für bessere Forschung ausgegeben werden könnte.
von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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