Freitag, 29. Juli 2005 / 14:42:14
Kurse sind nicht alles
JUNGUNTERNEHMER - Wer glaubt, ein Vorbereitungskurs für Firmengründer garantiere den künftigen Erfolg, kann sich arg getäuscht sehen.
Das Überleben neuer Unternehmen hängt von vielen Faktoren ab. Einen positiven
Einfluss sollte der Besuch von speziellen Vorbereitungskursen haben, dachte sich
Rolf Meyer, Leiter des Instituts für Management und Wirtschaftsinformatik der
Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz in Olten.
Im Rahmen seiner Dissertation über die volkswirtschaftliche Bedeutung von
Neuunternehmen befragte er deshalb frisch gebackene Unternehmerinnen und
Unternehmer, wie sie sich auf die Selbstständigkeit vorbereitet hatten.
Magere Erfolgsquote
Unter den 743 Befragten hatte in der Tat jeder Sechste einen
Vorbereitungskurs besucht. Doch das Ergebnis ist ernüchternd. «Die
Überlebenschancen von jungen Firmen, deren Gründungspersonen einen
Gründungs-Vorbereitungskurs besucht haben, ist unterdurchschnittlich», zeigt die
Analyse.
Insgesamt hat die Hälfte der zwischen 1993 und 1997 gegründeten Unternehmen
den fünften Geburtstag feiern können. Bei den Firmen von Leuten, die einen
speziellen Vorbereitungskurs besucht hatten, war dieser Anteil jedoch «markant
tiefer», wie Meyer betont. Zudem wurden die Angebote als «deutlich weniger
nützlich eingestuft als andere Weiterbildungskurse».
Das sollte den privaten wie staatlichen Anbietern zu denken geben, folgert
der Autor. Der negative Zusammenhang ist umso erstaunlicher, weil viel mehr
Frauen als Männer einen Kurs besucht haben– aber laut Studie ihre Unternehmen
eine höhere Überlebensrate haben (vgl. Artikel "Frauenfirmen wachsen anders").
Unbekannte Gründe
«Unsere sämtlichen Umfragen beweisen das Gegenteil», reagiert Beat Schillig,
Leiter des St. Galler Institutes für Jungunternehmer (IfJ). Das IfJ zähle seit
1989 über 25000 zufriedene Absolventen. «Die Statistik ist kritisch auf ihren
Kausalzusammenhang hin zu überprüfen.»
Auch Meyer hinterfragt seine Ergebnisse: «Ob der Kurs der Grund ist, dass
über die fünf betrachteten Jahre zunehmend mehr Absolventen von
Vorbereitungskursen ausschieden, lässt sich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass
die Kurse schlecht sind, das wäre eine gewagte Behauptung.» Aber vielleicht
erreichen allgemeine Kurse eher die «falschen» Leute, während spezifische
Angebote helfen, Defizite in einzelnen Bereichen wie z.B. Informatik abzubauen
und damit die Chancen zu vergrössern.
«Um als Selbstständige Erfolg zu haben, braucht es einen ‹Virus›, etwas in
den Genen», versucht Andrea Theunert eine Antwort zu geben. Sie hat nicht nur
bald vier Jahre eigene Erfahrung als selbstständige PR- und
Kommunikationsberaterin, sondern führt für die Basler Wirtschaftskammer Seminare
für Betriebsgründer durch und macht die Öffentlichkeitsarbeit für NEFU, das
Netzwerk der Einfrauunternehmen.
Wie Meyer vermutet auch Theunert, dass Leute, die sich nicht sicher sind, ob
die Selbstständigkeit wirklich ihr Weg sei, sich häufiger für Vorbereitungskurse
einschreiben. Auch die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen RAV verweisen
Arbeitslose dorthin. Doch da bleibt unsicher, ob die Selbstmotivation für den
Schritt in die Selbstständigkeit genügend gross ist.
Abraten als Aufgabe
Für Meyer ist das Fazit seiner Arbeit klar: «Fallweise muss in einem
Vorbereitungskurs auch geraten werden, den Schritt in die Selbstständigkeit zu
überdenken oder ganz zu vergessen.» Das schmerzt, ist aber sicher eine wichtige
Aufgabe der Anbieter. «Ich überrede niemanden und rate auch einmal ab», sagt
dazu Theunert. «Es ist auch ein ‹Erfolg›, wenn wir ein paar Leute davon
überzeugen können, dass Selbstständigkeit wohl doch nicht der richtige Weg für
sie ist.»
Ähnlich geht Anne Schlegel vor, bis zum Schritt in die Selbstständigkeit
Leiterin des Gründerzentrums Bern: «In der Beratung spüren wir, ob die nötige
Basis da ist und die Fakten für eine Gründung erarbeitet wurden. Oft wissen die
Leute gar nicht, was das alles erfordert.» In St. Gallen kommt laut Schillig
etwa ein Drittel der angehenden Jungunternehmer mit Businessideen nach dem
Workshop zum Schluss, ihr Vorhaben «Selbstständigkeit» abzublasen.
Praxisbezug entscheidend
«Leute dürfen aus einer Notsituation wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit nicht
einfach in die Selbstständigkeit ‹katapultiert› werden», spricht Nelly
Meyer-Fankhauser, Gründerin des NEFU, ihre Vorbehalte gegen Start-up-Kurse aus.
«Illusionen über die Selbstständigkeit und viel theoretisches Wissen genügen
nicht. Die Praxis ist entscheidend. Dafür gibt es aber oft keine klaren
Antworten auf präzise Fragen.»
Fazit der Aussage in der Studie und der Reaktionen darauf: Wer sich
selbstständig machen und dafür einen Vorbereitungskurs besuchen will, muss schon
diesen Schritt sehr sorgfältig vorbereiten.
Urs Walter / Handelzeitung
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