Mittwoch, 27. Juli 2005 / 08:21:46
Misstrauen und kalte Fährten
Kairo - Eine heisse Spur zu den Drahtziehern der Bombenserie, die das Ferienparadies Scharm el Scheich in einen Ort des Schreckens verwandelten, hat die ägyptische Polizei noch nicht.
Dafür erwecken die jüngsten Massenfestnahmen von Beduinen auf dem Sinai und die merkwürdige Geschichte um die inzwischen erkaltete Spur zu einer angeblichen pakistanischen Terrorzelle eher den Eindruck von blindem Aktionismus.
Am Dienstag tauchte das inzwischen dritte Bekennerschreiben auf, und aus der Kairoer Gerüchteküche kommen täglich neue Verschwörungstheorien. Im Radio sind seit Tagen ständig patriotische Lieder zu hören.
Ablenkungsmanöver
"Diese Fahndung nach angeblichen pakistanischen Terroristen ist wohl eher als Versuch zu werten, die Tat Ausländern in die Schuhe zu schieben, und Pakistaner auszuwählen, erschien wegen der Anschläge in London gerade opportun", meint ein westlicher Beobachter in Kairo. Ein Versuch, der in Islamabad für einiges Befremden sorgte.
"Dass sich pakistanische Terroristen oder andere Ausländer hier bei den Beduinen versteckt haben, ohne dass dies jemand mitbekommen hätte, ist ausgeschlossen", erklären junge Beduinen am Dienstag einem Reporter des Nachrichtensenders Al-Arabija.
Die Sinai-Beduinen hatten die ägyptischen Sicherheitskräfte schon nach den Anschlägen von Taba im Oktober 2004 als Schuldige ausgemacht. Nach offizieller Darstellung hatte damals ein Palästinenser, der in Al-Arisch lebte, mehrere Ägypter - darunter auch Beduinen - für die von ihm geplanten Anschläge auf israelische Touristen gewonnen.
Diese Version wurde von einigen westlichen Experten jedoch damals als Versuch interpretiert, die Gefahr von El-Kaida-inspirierten Anschlägen militanter Islamisten in Ägypten herunterzuspielen.
Nicht nur innenpolitische Dimension
"Es gibt zwei offene Fragen: Werden Polizei und Geheimdienst die Drahtzieher der Anschläge von Scharm el Scheich finden und wird man der Öffentlichkeit das Ergebnis dieser Ermittlungen dann auch mitteilen?", gibt ein Beobachter der Fahndungsbemühungen auf dem Sinai zu bedenken.
Denn es ist eindeutig, dass die Täter mit ihren Angriffen auf den wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus die ägyptische Regierung treffen wollen. In diesem Herbst stehen in Ägypten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an.
Dass Ägypten im Fadenkreuz der Terroristen liegt, ist nicht neu. Doch anders als bei der Terrorwelle gegen Touristen in den 90er-Jahren ist es möglich, dass der Terror diesmal nicht nur eine innenpolitische Dimension hat.
Schon mehrfach haben islamistische Terrororganisationen - denen zwar Ägypter angehören, die aber eine pan-islamische Ausrichtung haben - die Führung in Kairo wegen ihrer engen Beziehungen zu den USA und ihrer Kontakte zu Israel bedroht.
Dass dies nicht nur leere Drohungen sind, war schon vor einigen Wochen zu spüren, als die Terrorgruppe des Jordaniers Abu Mussab al- Sarkawi im Irak den ägyptischen Diplomaten Ihab Scharif ermordete.
Anne-Beatrice Clasmann (Quelle: dpa)
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