Freitag, 13. Mai 2005 / 10:39:24
Primadonnen im Bundeshaus
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Die Zeichen im Bundesrat stehen auf Sturm. Während an der Aare Spaziergänger die lauen Frühlingslüftchen geniessen, tobt in der Regierung ein Donnerwetter. Seit Bundesrat Christoph Blocher seinen Unmut über die Kommunikation der bundesrätlichen Haltung zu Schengen/Dublin kund getan hat, ist es offensichtlicher denn je: Der Bundesrat ist keine Kollegialbehörde mehr. Und der nächste Knatsch um die Armeereform ist auch schon da.
Aus dieser Position scheint die Forderung von SVP und FDP zu mehr Transparenz betreffend Bundesratsentscheidungen, um Indiskretionen und Gerüchte im Keim zu ersticken, ganz logisch.
Doch ist das wirklich die Lösung? Oder nicht viel mehr das endgültige Eingeständnis, dass die (fast-)Allparteienregierung abgewirtschaftet hat? Wenn die Leute von FDP und SVP die Regeln eines geschlossenen Auftretens als 'Regeln der Vergangenheit' bezeichnen, dann deuten sie damit an, dass dies veraltete Regeln sind. Regeln, die nicht mehr der Zeit entsprechen.
Doch ist das wirklich so? Oder passen diese Regeln einfach nicht mehr, weil sie unbequem sind? Weil sie einen Bundesrat zwingen, mitunter über den Schatten der eigenen Partei oder gar von sich selbst zu springen?
Immerhin ist der Bundesrat – nach dem Volk – das höchste Schweizer Gremium, die Schweizer Regierung. Und eine Regierung sollte sich in ihren Entschlüssen ja eigentlich einig sein. Dies zu erreichen ist mitunter schwierig, doch wer dieses Amt antritt, müsste eigentlich wissen, worauf er sich einlässt. Natürlich ist es auch die Aufgabe jener, die den Bundesrat wählen, diesen so zusammen zu stellen, dass eine vernünftige Arbeit von der Regierung zu erwarten ist.
Die Schweizer Form der Regierung ist aussergewöhnlich und unterscheidet sich fundamental von herkömmlichen Arten der Staatsführung: Der Schweizer Bundesrat verträgt keine Primadonnen.
Vielfach wurde dies als Schwäche des Schweizer Bundesrates betrachtet: Es gab einfach keine 'überragenden' Mitglieder, sondern vor allem solide Arbeiter, die das Regieren als anstrengenden, undankbaren Job betrachteten, der aber gut gemacht werden sollte.
Eine solche Einstellung erlaubt das Suchen und Finden der besten Lösungen und deren öffentlicher Akzeptanz.
Doch unterdessen sitzen mindestens drei Primadonnen im Bundesrat. Zum einen Christoph Blocher: Einer – ob man es nun mag oder nicht – der herausragende Schweizer Politiker der letzten zwei Jahrzehnte: nicht kollektivfähig. Dann Pascal Couchepin, der von sich glaubt, der einzig wahre Bundesrat zu sein: kollektivfähig nur, wenn der die einzige Primadonna ist. Schliesslich noch Micheline Calmy Rey, die glaubt, Aussenpolitik im Stil einer Heilsarmee-Generalin machen zu können – wird kollektiv ignoriert. Auch Moritz Leuenberger ist Primadonna-gefährdet, doch er scheint sich im Griff zu haben.
Die Persönlichkeiten und politischen Positionen sind fast unvereinbar. Es ist eigentlich verblüffend, dass dieser Bundesrat überhaupt etwas zustande bringt.
Es gäbe einige Möglichkeiten, die momentanen Probleme anzugehen:
a) Die Primadonnen treten zurück, Parteiarbeiter werden stattdessen gewählt. Wahrscheinlichkeit: Mikroskopisch klein
b) Die Primadonnen treten mit einer Ausnahme zurück, die verbleibende gibt danach den Ton an. Wahrscheinlichkeit: 0
c) Es wird eine Mitte-Links oder Mitte-Rechts-Regierung gebildet, SVP oder SP gehen in die Opposition. Wahrscheinlichkeit: Klein, aber vorhanden, wenn es noch mehr Knatsch gibt.
d) Es wird weiter gewurschtelt wie bis jetzt. Wahrscheinlichkeit: Sehr gross.
Da vermutlich d) eintreffen wird, hier eine kleine bitte an unsere Bundesprimadonnen (auch wenn dies kaum von jenen gelesen wird): Es geht hier nicht um Euch, es geht um die Schweiz, der ihr verpflichtet seid. OK? Danke! Zurück an die Arbeit!
Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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