Montag, 4. Oktober 2004 / 07:43:34
Kerry-Rock, Bush-Country
Philadelphia/New York - Während sich für John Kerry viele US-Künstler aus Pop und Rock stark machen, ist das Bush-Lager mehrheitlich aus Country-Stimmen zusammengesetzt.
Bruce Springsteen spielt "The Star Spangled Banner" als rockiges Gitarrensolo. Aber er zerfetzt die US-Hymne nicht zum Fauchen herabstürzender Bomben, wie Jimi Hendrix das einst aus Protest gegen den Vietnamkrieg getan hat.
"Amerika muss zur Wahrheit zurückkehren", ruft Springsteen tausenden jungen Leuten zu, bevor er "Born in the USA" anspielt.
"So finden wir zu einem tieferen Patriotismus." Dafür brauche John Kerry am 2. November jede Stimme.
Seit langem seien jüngere Wähler nicht mehr so umworben worden wie in diesem Wahlkampf, kommentierte der Sender ABC die Politrock-Tour dutzender US-Musikstars durch 37 Städte in elf Bundesstaaten.
Wenn deutlich mehr junge Amerikaner zur Wahl gehen würden als bisher, könnten sie das Zünglein an der Waage zwischen George W. Bush und John Kerry sein.
Draht zur Jugend
Dass die Jugend über die Musik ansprechbar ist, wissen auch die Republikaner. Sie schickten ihren Parteivorsitzenden Ed Gillespie in die MTV-Show "Total Request Live", um die Werbetrommel für Bush zu rühren. Rund 800 000 Leute haben allein von der MTV-Webseite das Formular für die Wählerregistrierung heruntergeladen.
Wem sie ihre Stimme geben, ist trotz des Einsatzes dutzender Rock-, Pop- und Rap-Idole für Kerry völlig ungewiss. "Mir ist egal, wen Springsteen wählt", bekamen Reporter von einer jungen Frau beim Auftaktkonzert der Tour "Vote for Change" zu hören. "Ich mag seine Musik, aber meine Stimme bekommt George W. Bush."
Damit gehörte sie an diesem Abend im Wachovia Center in Philadelphia wohl zu einer Minderheit. Dass jedoch Springsteen und R.E.M., James Taylor und Jackson Browne, Bonnie Raitt und John Mellenkamp und viele andere Anti-Bush-Aktivisten eine Kerry-Mehrheit herbeimusizieren, ist nicht sicher.
Massen-Country für Bush
Auch die Gegenseite kann sich auf Stars mit Massenwirkung stützen. Auf Toby Keith zum Beispiel. Für den Country-Superstar haben Musiker, die gegen Bush auftreten, "nicht genug aus Pearl Harbor gelernt".
Springsteen mag als singender "Working Class Hero" gelten, aber Amerikas Arbeiterschaft hört keineswegs wie ein Mann auf den Rocker, den seine Fans "The Boss" nennen. Im Süden, in Texas, Alabama oder Florida, hören die Leute eher Toby Keith zu, genau wie im Mittleren Westen.
Country Music, die in Europa nur ein Nischendasein fristet, ist in weiten Teilen Amerikas die Musik der Massen. "Born in the USA"? Schön und gut, aber im Radio läuft der Keith-Hit "Courtesy of the Red, White and Blue (The Angry American)".
"Ihr werdet es bereuen, euch mit den USA angelegt zu haben", singt Keith. Das ist gewiss nicht die Art Patriotismus, die Springsteen meint, aber sie kommt an.
Country-Radio für Bush
Auch unter den Country-Musikern gibt es Stars wie Willie Nelson, die Songs gegen den Irak-Krieg aufgenommen haben. Doch die kommen im Massenmedium Country-Radio, das von Sympathisanten der Bush-Regierung kontrolliert wird, nicht vor.
"Die Sender wissen, dass ihre Hörer das Militär in Irak unterstützen", sagt John Hart von der Marktforschungsfirma Bullseye. Von den 32 Stationen, mit denen er zusammenarbeite, würde keine einen Anti-Kriegssong auflegen.
bsk (Quelle: dpa)
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