Bushs Feigheit

Saddam ist in Gefangenschaft, Bin Laden angeblich auf 100 Quadratmeilen satellitenüberwachtem Afghanistan eingekreist und Gaddafi ganz friedlich. George W. Bush gehen langsam die Feinde aus.

Da würde man glauben, dass er mit Begeisterung eine Pentagonstudie gelesen hat, die von einer neuen Bedrohung des Weltfriedens berichtet. Von einer Bedrohung, die so gewaltig ist, dass sie Millionen von Menschen Heim, Existenz, ja das Leben kosten könnte.

Diese Studie wurde unter der Leitung von Andrew Marshall, einem Pentagon-Berater erstellt, der während der letzten drei Jahrzehnte einen entscheidenden Einfluss auf die US-Verteidigungspolitik hatte. Und trotzdem haben Bush und seine Stabchefs diesen Report vier Monate lang unterdrückt und geheim gehalten, bevor er jetzt der englischen Zeitung "Guardian" in die Hände gefallen ist.

Die Bedrohung, der Feind, von dem hier die Rede ist, ist nicht irgendein ein irrer Diktator oder Terrorführer. Es ist der globale Klimawandel.

Bush hat sich während seiner ganzen Amtszeit um dieses Problem foutiert, hat sich über die Umweltschützer lustig, das Wort "environmentalist" zum Schimpfwort gemacht. Und nun kommt ausgerechnet aus dem Verteidigungsministerium ein Report, der die grösste Bedrohung dort ausmacht, wo die USA am amerikanischsten ist: Unter den Motorhauben der fetten SUVs und Trucks, die locker 25 Liter auf 100 Kilometern verbrennen.

Doch Bush kann und will diese Bedrohung nicht anerkennen. Denn er ist Mitglied der Öl-Lobby. Und diese würde Milliarden verlieren, wenn auf diese Bedrohung mit Energiesparmassnahmen und Emissionsreduktionen reagiert würde. Dass diese Milliarden im Angesicht einer zusammenbrechenden Weltwirtschaft wertlos würden, erzeugt bei Bush einen Reflex krampfhaften Wegwendens von den wissenschaftlichen Erkenntnissen: Es ist bekannt, dass die letzten Eiszeiten plötzlich - innert 10 Jahren - über Europa hereinbrachen, höchstwahrscheinlich verursacht durch sich verändernde Meeresströmungen und dass diesen Eiszeiten Wärmeperioden vorausgingen. Sollte unser Wissen über den Golfstrom zutreffen, ist dieser durch eine Klimaerwärmung, wie sie im Moment stattfindet, stark gefährdet und mit ihm das gemässigte Klima der Nordhalbkugel, mithin unsere Existenz.

Die Pentagonstudie sagt Verheerungen voraus: Ein unbewohnbares, vereistes Skandinavien, sibirisches Klima in Grossbritannien, Dürren in Afrika, Missernten, Kriege um Ressourcen, Flüchtlingsströme, Verwüstung der globalen Kornkammern und vor allem Kriege um Nahrung, Lebensraum, gegen Flüchtlingsfluten... ein höllisches Szenario, und das in den nächsten 20 Jahren.

Es bleibt alles nur eines von mehreren Szenarios, aber eines, das eine grosse Chance hat, in Erfüllung zu gehen. Die Frage ist nun einfach, was zu tun ist. Eine Analogie zu der Situation wäre ein übergewichtiger, rauchender Patient mit Bewegungsmangel. Der Arzt rät ihm, mit dem Rauchen aufzuhören, seine Ernährung umzustellen und leichten Sport zu treiben. Wenn nicht, ist die Chance gross, nicht mehr lange am Leben zu bleiben. Der Patient kann nun gleich weitermachen, weil er Aktien von McDonalds und Phipp Morris besitzt. Oder er kann - trotz kurzfristiger finanzieller Interessen - sein Leben umstellen und vielleicht doch noch die Kurve kratzen.

Bush hat mit seiner Heimlichtuerei den Beweis geliefert, dass er auf die Aktien setzt. Er riskiert viel. Nicht nur für sich, sondern auch für Millionen andere, indem er sich diesem Feind nicht stellt, sondern für nicht existent erklärt. Doch sollte dieser Feind zuschlagen, werden alle Kriege der letzten 100 Jahre wie Sandkastenspielchen aussehen. Und Bush gehört für Feigheit vor dem Feind angeklagt.

von Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)

In Verbindung stehende Artikel: