Freitag, 11. September 2015 / 13:47:39
Vati kann eben nur bedingt
Die katholische Kirche zeigt sich so reformresistent, wie man das von einem Kult, der auf 2000 Jahren Geschichte fusst, nur erwarten kann. Traurig für die Gläubigen, die dachten, mit Papst Franz würde alles besser.
Der Lächelpapst Bergoglio ist Hoffnungsträger der sogenannt «liberalen» Katholiken und strahlende Gegenfigur zum alttestamentlich argumentierenden Bischof Huonder. Entgegen aller Logik, entgegen aller historischen und politischen Realität werden in den Argentiner, der versammelter Gemeinde einen guten Appetit wünscht, Vorstellungen einer liberalen, zeitgemässen Kirche hineinprojiziert, die diese niemals erfüllen wird oder kann. Vor allem die katholische Sexualmoral, immerhin eine der wichtigsten Unique Selling Propositions dieser 2000 Jahre alten Marke, wird zum Zankapfel zwischen Bewahrern und Erneuern - mit klarem Vorteil für Erstere.
Viel wurde erwartet von Bergoglio, viel wurde gehofft und gebetet. Der Berg lag lange in den Wehen und hat nun endlich die Maus, die er dabei rausgedrückt hat, der Welt vorgestellt. Nicht «schwul ist OK» oder «Frauen auf die Kanzel» piepste es aus dem Wochenbett, sondern «Ehen sollen einfacher annulierbar sein». Ein Schritt, der sogar für die höchst träge katholische Kirche eher ein Trippelchen ist, gemessen an den Erwartungen einzelner Katholiken ein Quantensprung im wahrsten Sinne des Wortes als die Überbrückung einer kleinstmöglich vorstellbaren Distanz.
Und auch mit diesem Hüpferchen ist einigen schon zu hoch gesprungen: Einflussreiche Kreise im Vatikan wehren sich vehement gegen die Eilverfahren der Eheannulierung, die in ihren Augen eine Art «katholischer Scheidung» sind. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die am 4. Oktober beginnende Synode zum Thema Familie eher eine Art inzestuöser Klatschrunde mit Kostümzwang wird, als dass tatsächlich Bewegendes dabei herauskommen würde.
Damit dürfte die Luft wohl schon weitgehend raus sein, aus dem Reformpapst. Mittlerweile ist er auch, angesichts des Flüchtlingsdramas, das sich in Europa abspielt, zurück zur Co-Betroffenheit seiner Vorgänger gekehrt, nicht einmal mehr in ihren Auffanglagern besuchen mag er die Leute. Und so kann dieser Papst in feinem Zwirn und inmitten vergoldeter Möblierung ungeniert zu Solidarität und Nächstenliebe aufrufen, während in seinem kleinen Sektenstaat kein Flüchtling je hätte Asyl beantragen können.
Dass vom Vatikan aus konkrete Hilfe, beispielsweise im Zurverfügungstellen von Wohnraum, Essen oder medizinischer Versorgung käme, ist natürlich völlig absurd gedacht. Denn bekanntlich ist die letzte Theokratie Europas gerade in Bezug auf Raum so furchtbar kurz gehalten: Wer schon einmal im Petersdom stand und am Boden die Umrisse der Kathedrale gesehen hat, die in diesem Dom Platz fände, kann diesen Platzmangel bezeugen.
Könnte Vati? Wahrscheinlich schon. Kann er? Wohl nicht.
Eigentlich ein Armutszeugnis für einen Stellvertreter Gottes. An seiner Stelle würde ich mein Jobprofil überarbeiten lassen.
Claude Fankhauser (Quelle: news.ch)
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