Auf einer Wellenlänge mit der neusten SVP-Initiative: Putin, Erdogan, Orban.
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Dienstag, 24. März 2015 / 10:46:15
Die Putinisierung der Schweiz?
Am letzten Samstag lag wieder einmal frisches Altpapier von der «grössten Partei der Schweiz»(TM) im Briefkasten. Diesmal wird zur indirekten Abschaffung der Menschenrechte aufgerufen und irgendwo hört man einen kleinen Putin zwischen den Zeilen zwitschern.
Wissen Sie, was «zwingendes Völkerrecht» ist? Also, was das genau bedeutet? Auch nicht? Dann sind Sie ja einer mehr, der keine Ahnung hat, was für eine SVP-Nebelgranate das wieder ist, mit dem der Ausstieg aus der Weltordnung und die Verlegung der Schweiz an den weltpolitischen Ort, an dem vor vierzig Jahren Albanien residierte, zustande gebracht werden soll.
Wer sich denn doch die Mühe macht, nachzuschauen, was denn «zwingendes Völkerrecht» ist, trifft auf einen Begriff, der in etwa gleich schwammig wie das moralische Rückgrat der SVP ist.
Eine Grundlage des zwingenden Völkerrechtes wäre vor allem das «Naturrecht», das von manchen als «göttliches Recht» bezeichnet wird. Weniger religiös geprägte Menschen bezeichnen es stattdessen als «Vernunftrecht». Dieses rechtswissenschaftlich sehr stark debattierte «gegebene» Recht umfasst so zum Beispiel die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Etwas, das die SVP für Asylbewerber, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose eher als lästigen Pi-Pa-Po empfindet, denn als Grundrecht.
Wer sich eine Kritik zu diesem «Naturrecht» anschaut, sieht sehr schnell, dass hier so ziemlich alles verpackt werden kann, was einer Recht gebenden Versammlung einfällt. Oder einer Unrecht gebenden. Unter diesem Banner wurde z.B. auch die Sklaverei bis ins 19. Jahrhundert hinein gerechtfertigt.
Das «zwingende Völkerrecht» umfasst zusätzlich noch die elementaren Menschenrechte. Von dem her also alles nicht so schlimm? Nun, Sklaverei im klassischen Stil würde es wohl nicht geben, wenn sich die Schweiz aus der internationalen Rechtsgemeinschaft verabschiedet. Und Folter wäre vorerst auch (noch) kein Thema. Aber Rechte - auch Menschenrechte - müssen immer wieder interpretiert, in neuen Kontexten eingeordnet und gedeutet werden. Politisch beeinflusste Rechtsprechung würde da ein brennendes Thema werden, wenn von der Justiz gefordert würde, jederzeit der Vox Populi zu folgen, und wenn vergessen würde, dass die Volksmehrheit nur ein Teil des Rechtsstaates und nicht der Staat an sich sein sollte.
Wenn die SVP eine Abstimmung gewinnt, vergisst sie das gerne, und das mit einer Gründlichkeit, welche selbst Alzheimerpatienten Angst machen würde. Dann hat DAS Volk gesprochen und fertig ist's, auch wenn die Mehrheit dünner ist, als die Beine einer Klum-Show-Kandidatin. Doch selbst bei klaren Mehrheiten von 60% oder mehr, müssen die Rechte von Minderheiten gewahrt werden.
Denn dieser Schutz macht den Unterschied von Volksdiktatur und Demokratie und einen Teil der elementaren Menschenrechte aus. In diesen werden viele Themen berührt, die ziemlich im diametralen Widerspruch zu vielen Aussagen von Parteigrössen und zu Parteigrundsätzen der SVP stehen. Dass diese zwingenden Teile bald nicht mehr so zwingend wären, sobald der erste Schritt in die rechtliche Isolation getan wäre, dürfte wohl einem jeden klar sein.
Die ständige Betonung des Volkes und des Völkischen (auch wenn dieser Ausdruck nur im Geiste durch die Zeilen weht), erinnert verhängnisvoll nicht nur an vergangene Zeiten, sondern auch an so manchen gegenwärtigen Volkstribunen und Autokraten: Angefangen bei Wladimir Putin, der unterdessen zu einer Art Held der Rechtsnationalen Europas geworden ist, über Victor Orban, der versucht, als EU-Mitglied einen Blocher zu machen, bis hin zu Recep Tayyip Erdoğan, dessen AKP-Beinahe-Diktatur nach Jahren der Korruption und Vetternwirtschaft nun scheinbar beginnt, sich selbst zu zerlegen. Auch in Ungarn beginnt offenbar langsam die Erosion der Orban-Ära und von Putin - na, reden wir lieber nicht davon. Doch es dürfte klar sein, dass diese jüngste SVP-Initiative auf einer Wellenlänge mit dem Rechtsverständnis dieser 'lupenreinen Demokraten' steht.
In den genannten Ländern war und ist neben dem Unterstreichen des Völkischen das Kappen von Beziehungen nach aussen und die Betonung, dass man sich gegen Einmischungen anderer Staaten gegen die eigene Art der Rechtsprechung verwahre, zentral. Nicht zuletzt, weil Ausländer und Minderheiten immer stärker diskriminiert werden - auch, um damit den populistischen Ansprüchen der Regierungsanhänger zu entsprechen.
Und, nur um das klar zu sagen: In diesen Staaten wurden diese Machthaber mit grossen Mehrheiten ins Amt gewählt, also durchaus mit dem Segen der Volksmehrheit. Doch seither werden in all diesen Ländern demokratische Errungenschaften zurückgestutzt, unterminiert oder ganz demontiert. Und der Personenkult (inklusive des Verbotes, Politiker zu «beleidigen» indem man diese zum Beispiel als Diktator tituliert) ist eine zentrale Säule dieser Regime - fast schon wie der Kult um Christoph Blocher in der SVP.
Vielleicht ist der Autor ja nur paranoid. Aber irgendwie stinkt der SVPsche Isolationstrip gar stark nach einem Autokraten-Traum des immer noch gekränkten Partei-Übervaters, der sich seit nun bald einem Jahrzehnt für die Abwahl aus dem Bundesrat rächt. Hoffen wir mal, dass ihm die Mehrheit dieses Mal nicht nachrennt, und so nicht die Putinisierung unserer Demokratie voran treibt.
Patrik Etschmayer (Quelle: news.ch)
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Die elementaren Menschenrechte Erläuterung der «elementaren Menschenrechte» mit Fallbeispielen.
Das zwingende (Völker)Recht Wikipedia zum zwingenden Recht, aus «ius cogens».
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